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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz
Autoren: Edward Lee
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meinte er: »Mein Name ist Edward Teller.« Seine gelblichen Augen weiteten sich kurz in heimlicher Begeisterung. »Haben Sie schon mal von mir gehört?«
    Cinny blinzelte. Gott, der stinkt ja erbärmlich! »Nein«, entgegnete sie.
    »Sie sind nicht besonders gebildet, was?«
    Cinny ging nicht auf diese lächerliche Frage ein. Sie hatte nach der Siebten die Schule geschmissen, na und? Wer gab ihm deshalb das Recht, sie zu beleidigen? Wenigstens bin ich kein stinkender Penner!
    »Ich habe mit Oppenheimer zusammen die Atombombe gebaut, die über Nagasaki abgeworfen wurde«, sagte er.
    »Hä?«
    »Und dann habe ich die Wasserstoffbombe erfunden.«
    Du hast sie doch nicht mehr alle , dachte Cinny. Sie traf ständig solche Typen auf der Straße; die waren alle irre, total schizo.
    Da sagte er: »Verzeihung, mein Fuß juckt«, und zog sich einen zerfetzten Turnschuh aus. Der Gestank, der herausdrang, war das Abartigste, was Cinny je im Leben gerochen hatte. Ihre Nebenhöhlen schwollen sofort zu. Irgendwelche Brocken fielen aufs Pflaster, als er die Socke abstreifte; Cinny brauchte einen Augenblick, bis ihr klar wurde, was das für Brocken waren: Stücke von abgestorbenem Fleisch, weiß wie Wachs. Genau genommen war der größte Teil der Fußsohle mit der Socke abgegangen. Mehrere Zentimeter lange, gelbe Fußnägel, unter denen parasitischer grüner Schimmel gedieh, kamen zum Vorschein.
    Cinny war völlig benommen von dem Geruch. »Zieh sofort den Schuh wieder an!«
    »O, natürlich. Sie sind neu hier. Sie haben sich noch nicht an diese Dinge gewöhnt.«
    Was sollte denn das bedeuten? Der Geruch war so grauenvoll, dass ihre Augen tränten, als ob sie einem Pfefferspray ausgesetzt worden wären. »Wo sind wir hier?«, fragte sie eindringlich. »Ist das Tampa? Ich hab keine Ahnung, wo ich bin.«
    »Das ist nicht Tampa. Das ist die Mephistopolis.«
    Cinny kniff die Augen zusammen. »Die … was?«
    Der Penner zuckte die Achseln. »Sie sind tot. Gestorben und in die Hölle gekommen.«
    Verflucht noch mal! , dachte sie jetzt. Der Typ war ja echt durchgeknallt. Doch mal ganz abgesehen davon, dass diese Vorstellung absolut undenkbar war, wusste Cinny, dass sie eigentlich kein schlechter Mensch war. Sie hatte in ihrem Leben Dinge getan, die nicht in Ordnung waren, aber das war nicht ihre Schuld. Das Meth brachte sie dazu, schlimme Sachen zu machen.
    Sie dachte nach. Okay, sie hatte Harley Mack dabei geholfen, ihren ersten Mann Barny aus dem Verkehr zu ziehen. Aber Barny hatte sie immer geschlagen, ein paarmal hätte er sie beinahe umgebracht, also hatte Cinny eines Abends Harley Mack den Schlüssel zum Wohnwagen zugesteckt, und er hatte Barny mit der Brechstange erschlagen und es so aussehen lassen wie einen Einbruchdiebstahl. Er hatte auch den Hund und Barnys Mutter umgebracht, die zufällig zu Besuch war; außerdem war da noch die Nachbarin, die beobachtet hatte, wie er in den Wohnwagen ging – die alte Mrs Hollis mit ihren neunzig Jahren oder so. Harley Mack hatte ihr ebenfalls den Schädel einschlagen müssen, weil sie ja eine potenzielle Zeugin war. Aber Cinny hatte diese Taten ja nicht begangen, Harley Mack war es gewesen, also warum sollte sie für seine Verbrechen in die Hölle kommen? Tausende von Freiern zu bedienen, konnte einen ja wohl kaum zur Hölle verdammen, oder? In der Bibel gab es immerhin auch Prostituierte, zumindest hatte sie das gehört. Und dann waren da noch ihre zwei Babys. Sie hatte sie beide für Stoff an einen Adoptionsmakler verkauft. Er hatte ihr versprochen, dass die Kleinen an gute, wohlhabende Eltern vermittelt würden, die ihnen ein besseres Leben bieten könnten als Cinny. Es war ja nicht ihre Schuld, dass der Makler gelogen und die Kinder in Wirklichkeit an ein unterirdisches Forschungslabor verscherbelt hatte, wo man mit dem Gewebe von Säuglingsgehirnen experimentierte. Der Makler muss in die Hölle kommen, nicht ich! , dachte sie.
    Aber das war ja auch egal. Sie war nicht in der Hölle, sie war in Tampa und musste nur irgendwie eine Mitfahrgelegenheit nach Hause finden. Sollte dieser verrückte alte Penner doch erzählen, was er wollte.
    Jetzt versuchte Cinny ernsthaft, aufzustehen. Sie wollte die Füße aufs Pflaster stellen …
    Aber sie konnte nicht.
    Dann fing sie an zu schreien. Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und sie erkannte, warum sie nicht aufstehen konnte.
    Beide Beine vom Knie an abwärts fehlten.
    »Tut mir Leid«, sagte der Penner. »Ich konnte nicht
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