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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Isabel Allende
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Geistlicher und ein treuer Yanacona schafften es, den Ring der Feinde zu durchbrechen und auf dem einzigen Weg zu fliehen, der nicht vom Feind besetzt war. Der Yanacona, der mir später von dem Geschehen berichtete, hielt sich derweil unter einem Berg von Schutt versteckt, ertrug den Qualm des Brandes und konnte zwei Tage später, als die Mapuche abgezogen waren, das Weite suchen. Der Fluchtweg, der sich vor Valdivia aufgetan hatte, war von Lautaro mit Umsicht offengehalten worden. Es war ein Weg ohne Wiederkehr, der durch einen dichten Wald direkt in ein Moorloch führte, in dem die Pferde bis zum Bauch versanken. Die Flüchtenden konnten nicht zurück, denn dort stand der Feind. Im letzten Abendglanz sahen sie, wie Hunderte von Eingeborenen aus dem Dickicht drängten, während sie selbst von dem fauligen Morast, ausdem schweflige Höllendünste aufstiegen, unaufhaltsam in die Tiefe gezogen wurden. Doch ehe das Moor sie schlukken konnte, wurden sie von den Mapuche geborgen, denn dies war nicht das Ende, das man ihnen bereiten wollte.
    Als er sich verloren sah, wollte Valdivia seine Freiheit mit dem Versprechen erkaufen, daß die Spanier die neu gegründeten Städte im Süden aufgeben und Araukanien für immer verlassen würden, und bot außerdem Schafe und andere Güter an. Der Yanacona mußte übersetzen, doch ehe er zu Ende geredet hatte, fielen die Mapuche über ihn her und töteten ihn. Sie hatten die Versprechungen der Huincas zu hassen gelernt. Dem Geistlichen, der aus zwei Stöcken ein Kreuz geformt hatte und dem Yanacona wie zuvor schon dem Gouverneur seinen Segen geben wollte, wurde mit einem Knüppel der Schädel zermalmt. Und dann begann das Martyrium von Pedro de Valdivia, den sie mehr haßten als jeden anderen, der für alles Niedrige und Abscheuliche stand, das dem Volk der Mapuche angetan worden war. Die Tausende von Toten waren nicht vergessen, nicht die verbrannten Männer, die geschändeten Frauen, die erschlagenen Kinder, die Körbe voller abgeschnittener Hände, die den Fluß hinabgetrieben waren, die abgehackten Füße und abgeschnittenen Nasen, die Peitschenhiebe, die Ketten, die Bluthunde.
    Vor den Augen des Gefangenen marterten sie die Yanaconas, die in Tucapel lebend in ihre Hände gefallen waren, und schändeten die Leichen der gefallenen Spanier. Dann schleiften sie Valdivia nackt, an den Haaren in ein nahe gelegenes Hüttendorf, wo Lautaro auf ihn wartete. Steine und messerscharfe Zweige rissen ihm die Haut auf, und als man ihn dem Ñidoltoqui vor die Füße warf, war er ein mit Lehm und Blut verschmiertes Etwas. Lautaro befahl, ihm Wasser zu geben, damit er wieder zu sich käme, und man band ihn an einen Pfahl. In höhnischer Geste zerbrach der Toqui die Klinge aus Toledo, Pedro de Valdivias unzertrennlicheGefährtin, und rammte die beiden Teile zu Füßen des Gefangenen in die Erde. Als der aus seiner Ohnmacht erwachte, die Augen aufschlagen und um sich blicken konnte, sah er sich seinem ehemaligen Stallburschen gegenüber.
    »Felipe!« stieß er voller Hoffnung hervor, denn wenigstens war es ein bekanntes Gesicht, und er konnte spanisch mit ihm reden.
    Lautaro sah ihn mit bodenloser Verachtung an.
    »Erkennst du mich denn nicht, Felipe? Ich bin es, der Taita«, beharrte der Gefangene.
    Lautaro spuckte ihm ins Gesicht. Auf diesen Moment hatte er ein Leben lang gewartet.
    Auf einen Wink des Ñidoltoqui hin defilierten die erzürnten Mapuche in einer Reihe an dem Gefangenen vorbei und rissen ihm mit angeschliffenen Venusmuscheln kleine Fetzen aus dem Fleisch. Sie entfachten ein Feuer, und mit ihren Muscheln trennten sie ihm die Muskeln aus Armen und Beinen, brieten sie und aßen sie vor seinen Augen. Drei Nächte und zwei Tage währte das makabre Festmahl, ohne daß der Tod sich des unglücklichen Gefangenen erbarmt hätte. Schließlich, als der Morgen des dritten Tages graute und Lautaro sah, daß Valdivia starb, goß er ihm geschmolzenes Gold in den Mund, damit er genug bekäme von diesem Metall, das er so mochte und das über die Geschundenen in den Minen so viel Leid brachte.
    Ach, wie weh das tut, wie weh! Diese Erinnerungen sind ein Lanzenstoß hier, mitten in meine Brust. Wie spät ist es wohl? Wieso ist es dunkel? Die Stunden sind rückwärts gelaufen, der Tag bricht von neuem an. Dieser Tag wird wohl auf ewig anbrechen …
    Pedro de Valdivias Leiche wurde nie gefunden. Es heißt, die Mapuche hätten in einem nie gesehenen Ritual seine Knochen abgenagt, hätten daraus Flöten
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