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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
Autoren: Dr. Anja Dostert
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gelblichen Kuchen. Man assoziiert Qualität, Eier und vielleicht Zitrone. Ist die Farbe hingegen zu kräftig, wirkt das Gelb künstlich, Testpersonen vermuten Chemie und wählen den blassen Kuchen. Bei Rottönen sind wir weniger empfindlich, denn natürliche Produkte wie Waldfrüchte, Beeren, Tomaten und Rote Bete haben von Natur aus kräftige Farben.
    Farberwartung kann gelernt werden. In einigen südlichen Ländern erwarten Kunden beispielsweise eine kräftig rot gefärbte Salami. Das gleiche Produkt löst bei deutschen Urlaubern Unbehagen aus. Alle Verbraucher erwarten bei Vanilleeis ein Eis mit der typisch gelblichen Farbe. Was macht das Vanilleeis gelb? Überlegen Sie einen Moment, ob Sie drauf kommen! Die Vanilleschote färbt das Eis nicht, sie hinterlässt nur die typischen braunen Pünktchen. Früher war Vanilleeis gelb, weil bei der Herstellung Eigelb verwendet wurde. Heute wird kein Ei mehr zugesetzt, aber da der Verbraucher die gelbe Farbe erwartet, bekommt er sie auch. Eigelb machte früher das Eis geschmeidig und verbesserte seine Konsistenz. Dies erledigt heute ein Mix aus Verdickungsmitteln. Für die Farbe sorgen Carotinoide.
    Die Deutschen halten dunkles Brot für gesünder als helles Brot. Dies hat dazu geführt, dass viele Brote gefärbt werden, um ihnen ein gesünderes Aussehen zu verleihen. Beim dunklen Balsamicoessig entsteht die dunkle Farbe natürlicherweise durch den langen Lagerungs- und Reifungsprozess. Dafür hat man heute keine Zeit, also wird die Farbe künstlich zugesetzt. Lachs hat nur deshalb die typische Farbe, weil die Zuchtfische mit farbstoffhaltigem Futter gefüttert werden. Der Verbraucher erwartet die gelernte Farbe und würde ein blasses Produkt nicht mehr akzeptieren. Wildlachse ernähren sich von Krebstieren, der enthaltene Farbstoff Astaxanthin lagert sich im Muskelfleisch ab. Heute setzt man dem Fischfutter die passenden Farbstoffe zu. Es gibt eine Reihe Anbieter, die spezielle Farbstoffmischungen an die Futtermittelhersteller verkaufen. Diese Farbstoffe müssen nicht deklariert werden, da sie über den Umweg des Tierfutters ihren Weg in das Essen finden. Gleiches gilt für den Eidotter der Hühner. Der Farbstoff Lutein gibt dem Dotter über den Umweg des Tierfutters seine Farbe. Auch dem Geflügel kann man auf diesem Weg eine gelbliche Färbung verpassen, so wirkt das Hähnchen im Kühlregal durch seine gelblich gefärbte Haut gleich viel wertiger. Carotinoide werden auch zum Färben von Butter und Margarine eingesetzt. Margarine wäre ohne zugesetzte Farbe ein weißlich-graues Kunstprodukt. Die natürliche Farbe der Butter schwankt je nach der Saison und dem eingesetzten Futter. Butter wird eingefärbt, damit der Kunde nicht misstrauisch wird, wenn seine Lieblingsbutter mal so und mal anders aussieht.
    Bei Gummibärchen entspricht die verwendete Farbe der Geschmacksrichtung des verwendeten Aromas. Der Kunde bekommt eine optische Hilfe beim Erkennen des Geschmacks. Sie können einmal versuchen, Gummibärchen blind zu verkosten und die Farbe zu erraten. Dies ist nicht leicht! Färbt man ein Lebensmittel um, so wird die Zuordnung des „richtigen“ Aromas zur Herausforderung. Ein zart grün gefärbtes Eis mit Erdbeeraroma wird bestenfalls als Kiwigeschmack oder als Fruchteis erkannt.
    Die meisten färbenden Pflanzenextrakte sind nicht gesundheitsschädlich, viele dieser Stoffe sind als sekundäre Pflanzenstoffe sogar positiv zu bewerten. Die künstlichen Azofarbstoffe stellen jedoch ein mögliches gesundheitliches Risiko dar. Es gibt Hinweise, dass diese Farbstoffe Hyperaktivität bei Kindern auslösen können. Gerade Kinder lieben bunte Lebensmittel, Kinderlebensmittel werden daher noch kräftiger gefärbt. Die Azofarbstoffe Cochenillerot, Tartrazin, Gelborange S, Azorubin und Allurarot müssen seit 2010 mit dem Warnhinweis versehen werden: „Kann die Aktivität und Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen“. Eine Studie aus dem Jahr 2007 ergab, dass Kinder durch diese Farbstoffe in Kombination mit dem Konservierungsmittel Natriumbenzoat aufgeregter und zappeliger erschienen. Die Studie wies zwar methodische Mängel auf, trotzdem wurde der Warnhinweis Pflicht. Kauft man die bunten Süßwaren auf dem Rummelplatz, so sind Azofarbstoffe für den Verbraucher nicht erkennbar. Knallbunte Süßwaren findet man dort wesentlich häufiger als im Süßwarenregal des Supermarktes.
    Das Motiv der Industrie ist klar: Farbstoffe täuschen dem Verbraucher Qualität und Geschmack vor,
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