Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Indische Naechte

Titel: Indische Naechte
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
zusammenzuschlagen, hatten sie ihn wiederholt und heftig in die Genitalien getreten. Nach diesem Tag hatte er niemals wieder irgend etwas wie Verlangen gespürt.
    Zuerst hatte er es kaum bemerkt, denn Hunger und Verzweiflung hatten die Lust längst ausgelöscht. Die Frage, ob er seine Männlichkeit verloren hatte, war einfach müßig gewesen, da Frauen nur noch eine ferne Erinnerung waren und er ohnehin sicher gewesen war, in Buchara zu sterben.
    Aber er hatte überlebt, und die Frage wurde wieder relevant. Nachdem die Freiheit und geregelte Mahlzeiten nichts bewirken konnten, hatte er sich geweigert, daran zu denken, daß er möglicherweise einen dauerhaften Schaden erlitten hatte. Statt dessen hatte er sich immer wieder eingeredet, daß das Wiedersehen mit seiner Verlobten ihn wieder zu einem vollständigen Mann machen würde. Georgina würde ihn schon erregen, denn ihre reifen Rundungen hatten sein Verlangen schon an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten, entfacht.
    Als sie seinen Antrag angenommen hatte, war er begierig darauf gewesen, ihr die Vergnügungen der körperlichen Liebe beizubringen, denn in ihren heimlichen Augenblicken des Alleinseins hatte sie sich bereits als gelehrige Schülerin erwiesen. Aber da sie erst neunzehn gewesen war, hatten ihre Eltern auf einer langen Verlobungszeit bestanden. Das war ein Grund gewesen, warum er zugestimmt hatte, nach Buchara zu gehen, denn die Wartezeit war ihn hart angekommen.
    Während der Jahre in Zentralasien hatte seine
    Verlobte seine Gedanken beherrscht, selbst nachdem seine Lust nur noch ein schwaches gedankliches Abbild echten Verlangens war. Sie war zu einem Symbol geworden für alles, was er je geliebt und für verloren gehalten hatte.
    Nach seiner Rettung war er auf der Suche nach Heilung zu Georgina zurückgekehrt. Doch bei ihrem Anblick hatte er nicht ein winziges Aufflackern von Begierde verspürt - selbst als er von ihrer Ehe noch nichts gewußt hatte. Obwohl sie attraktiv war wie eh und je, hätte er in sexueller Hinsicht ebensogut tot sein können.
    Für einen verzweifelten Moment erwog er, das schöne indische Mädchen zu besuchen, das seine Geliebte gewesen war, bevor er sich in Georgina verliebt hatte. Leela war nicht behütet aufgewachsen wie die jungen englischen Mädchen, sie war eine erfahrene Kurtisane, und ihre Beziehung war leidenschaftlich und für beide befriedigend gewesen. Doch wenn er nun an sie dachte, reagierte sein Körper überhaupt nicht. Kein Ziehen, kein Erzittern, und es half auch nicht, sich detailliert in Erinnerung zu rufen, was sie miteinander gemacht hatten.
    Eine kurze, entsetzliche Vision schoß ihm durch den Kopf: Er würde zu Leela gehen und kläglich versagen. Sie war eine gutherzige Frau und würde ihn nicht auslachen; sie würde ihn bemitleiden, und dies war weitaus schlimmer.
    Er würde sich auch nicht mehr vormachen, daß sein Zustand ein vorübergehender war, der sich irgendwann von allein geben würde, denn er hatte genug von der Selbsttäuschung. Seine Flucht aus dem Kerker lag nun drei Monate zurück. Doch obwohl seine allgemeine körperliche Verfassung viel besser geworden war, hatte es keinen noch so winzigen Hinweis darauf gegeben, daß sich sein sexuelles Verlangen wieder normalisiert hatte. Die Zeit war gekommen, das Schlimmste zu akzeptieren: Ein vitaler Teil seines Selbst war für immer gestorben.
    Nachdem er sich durch diese letzte vernichtende Wahrheit gearbeitet hatte, entrang sich seiner Brust ein tiefer Seufzer. Für diese Nacht war es genug mit der gnadenlosen Ehrlichkeit. Er brauchte dringend eine Pause. So schwang er sich mühsam auf die Füße, nahm die Lampe und trat hinaus in den dunklen Wohnraum, wo er die Brandy-Karaffe fand. Er füllte sein Glas fast bis zum Rand und ließ sich in den nächsten Korbsessel fallen.
    Er trank bereits in tiefen Schlucken, als sich die Tür zu Davids Zimmer öffnete und sein Bruder halb angekleidet und schläfrig blinzelnd hereinkam. In den letzten drei Jahren hatte er beeindruckende Muskelpakete entwickelt, und Ian war recht froh darüber, daß David am Nachmittag nicht zurückgeschlagen hatte.
    Ian kam in den Sinn, daß David schließlich doch eines Tages Falkirk erben würde, da er selbst keine Kinder haben konnte. Der Gedanke war in gewisser Hinsicht tröstend, und so hob Ian sein Glas seinem Bruder zu einem wenig formellen Toast entgegen. »Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe, aber ich verspürte das Bedürfnis, mich ernsthaft zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher