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In Tödlicher Mission

In Tödlicher Mission

Titel: In Tödlicher Mission
Autoren: Ian Fleming
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langsamer. Er war knapp fünfzig Meter entfernt. Sein Gesicht, das nun nicht mehr vom Wind verzerrt wurde, wies schroffe, harte, vielleicht slawische Züge auf. Ein roter Funke brannte hinter den schwarzen zielenden Pistolenmündungsaugen. Vierzig Meter, dreißig. Eine einzelne Elster flog vor dem jungen Kurierfahrer aus dem Wald. Sie floh unbeholfen über die Straße in die Büsche hinter einem Michelinschild, auf dem stand, dass St. Germain noch einen Kilometer entfernt war. Der junge Mann grinste und hob einen ironischen Finger zum Gruß und um sich vor dem alten englischen Aberglauben zu schützen – »Eine Elster steht für Trauer.«
    Zwanzig Meter hinter ihm nahm der Mann mit der Waffe beide Hände vom Lenker, hob die Luger, stützte sie vorsichtig auf seinem Unterarm ab und feuerte einen Schuss.
    Die Hände des jungen Mannes lösten sich ruckartig von den Griffen und trafen sich in der Mitte seiner nach hinten gebogenen Wirbelsäule. Seine Maschine scherte auf der Straße aus, geriet ins Schleudern, flog über einen schmalen Graben und pflügte sich durch ein mit Gras und Maiglöckchen bewachsenes Stück Waldboden. Dort bäumte sie sich auf das kreischende Hinterrad auf und fiel langsam nach hinten auf ihren toten Fahrer. Die BSA keuchte und bockte, riss an der Kleidung des jungen Mannes und an den Blumen und blieb schließlich still liegen.
    Der Mörder vollführte ein knappes Wendemanöver und hielt so an, dass seine Maschine in die Richtung zeigte, aus der er gekommen war. Er klappte den Radständer herunter, stellte die Maschine darauf und ging zwischen den Bäumen und Wildblumen hindurch. Er kniete sich neben den toten Mann und zog grob ein Augenlid zurück. Ebenso grob entriss er der Leiche die schwarze lederne Kuriertasche, zerrte die Knöpfe der Uniformjacke auf und nahm eine verbeulte Lederbrieftasche heraus. Die billige Armbanduhr zog er so unsanft vom linken Handgelenk, dass das elastische Chromarmband in zwei Hälften zerbrach. Er stand auf und schlang sich die Kuriertasche über die Schulter. Während er die Brieftasche und die Uhr in der Tasche seiner Uniformjacke verstaute, lauschte er. Er vernahm lediglich die Geräusche des Waldes und das leise Ticken von heißem Metall, das von der zerstörten BSA ausging. Der Mörder kehrte zur Straße zurück. Er ging langsam und fegte Blätter über die Reifenspuren in der weichen Erde und dem Moos. Bei den tiefen Kerben im Graben und der Grasnarbe gab er sich besonders viel Mühe. Dann stand er wieder neben seinem Motorrad und schaute auf den kleinen mit Maiglöckchen bewachsenen Fleck. Nicht schlecht! Vermutlich würden nur die Polizeihunde die Stelle finden, und da sie gut fünfzehn Kilometer Straße absuchen mussten, würden sie Stunden, vielleicht sogar Tage brauchen, bis sie etwas entdeckten – auf jeden Fall lange genug. Das Wichtigste bei solchen Aufträgen war, einen ausreichend großen Sicherheitsabstand zu haben. Er hätte den Mann schon aus einer Entfernung von vierzig Metern erschießen können, aber zwanzig waren ihm lieber. Und die Tatsache, dass er die Uhr und die Brieftasche hatte mitnehmen können, war ein zusätzlicher Bonus gewesen.
    Zufrieden hievte der Mann seine Maschine vom Ständer, schwang sich elegant auf den Sattel und betätigte den Anlasser. Langsam, um keine Reifenspuren zu hinterlassen, beschleunigte er auf der Straße. Nach gut einer Minute hatte er wieder hundertzehn Stundenkilometer erreicht, und der Wind hatte sein Gesicht erneut zu einer grinsenden Grimasse verzerrt.
    Um ihn herum begann der Tatort, der Wald, der die Luft angehalten hatte, während der Mord begangen worden war, langsam wieder zu atmen.
    James Bond nahm seinen ersten Drink an diesem Abend im Fouquets ein. Es war kein anständiger Drink. In französischen Cafés kann man nicht richtig trinken. Ein Tisch auf dem Bürgersteig in der Sonne ist nicht der richtige Ort für Wodka, Whisky oder Gin. Ein
fine à l’eau
ist ein recht starker Drink, aber er macht einen betrunken, ohne sonderlich gut zu schmecken. Ein
quart de champagne
oder ein
champagne à l’orange
ist vor dem Mittagessen in Ordnung, aber am Abend führt ein
quart
zu einem weiteren
quart
, und eine Flasche jedes beliebigen Champagners ist eine schlechte Grundlage für die Nacht. Pernod ist eine Möglichkeit, sollte aber in Gesellschaft getrunken werden und außerdem hatte Bond das Zeug noch nie gemocht, weil ihn der Lakritzgeschmack an seine Kindheit erinnerte. Nein, in Cafés musste man das
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