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In ihrem Blut: Thriller (German Edition)

In ihrem Blut: Thriller (German Edition)

Titel: In ihrem Blut: Thriller (German Edition)
Autoren: Annie Hauxwell
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dann geschah, es passierte zu schnell. Sie schienen miteinander zu kämpfen, Bonnington hielt den ausgestreckten Arm der Frau fest, sodass sie ihn nicht mehr bewegen konnte. Fast sah es aus, als würden sie Walzer tanzen.
    Dann stürzte die Frau kopfüber über die Balustrade. Als sie mit dem Kopf auf den Konferenztisch aus Eiche aufschlug, brach ihr Genick.
    Die Startpistole entglitt ihrer Hand.
    6
    Es war erst früher Abend, aber schon fast so finster auf dem alten Treidelpfad am Kanal, als wäre es Mitternacht. Es war der schnellste Weg zur anderen Seite des Victoriaparks, wo Berlin um halb sieben einen Termin hatte. In den letzten zwanzig Jahren hatte sie diesen Termin fast immer eingehalten, ganz egal, was los gewesen war. Alles andere hätte die Hölle bedeutet.
    Sie hielt den Blick auf den rissigen Feldweg vor sich gerichtet und versuchte, das leise Plätschern und die dunklen, im Wasser treibenden Formen zu ignorieren, die sie aus dem Augenwinkel wahrnahm. Schließlich bog sie in eine ruhige, von Wohnhäusern gesäumte Straße ein. Alle waren bildschön renoviert worden. Mit einer Ausnahme.
    Sämtliche Fenster des baufälligen Hauses aus dem 18. Jahrhundert waren mit Brettern zugenagelt, aber die verblasste grüne Tür war nur angelehnt. Über dem bröckelnden Portikus gab es keine Kameras.
    Berlin stieß die Tür auf, überquerte, ohne zu zögern, die Schwelle des Anstands und ging durch die düstere Diele in ein noch düstereres Zimmer.
    Sie nahm sich eine Illustrierte vom Tisch und setzte sich. Der Mann des Jahres 1986 in der Times war Deng Xiaoping. Hier stand die Zeit still.
    Üblicherweise war ein gut gekleideter Bürger ihres Alters vor ihr dran. Sie hatten nie miteinander gesprochen und sich immer nur knapp zugenickt, wie als Bestätigung ihrer Anwesenheit. Sie erfüllten den Zweck des Raums. Sie warteten. Aber heute war der andere nicht da.
    Seine Abwesenheit verstärkte ihr Unbehagen – als wäre aus dem Rad ihres Universums eine Speiche herausgebrochen. So geht es einem, wenn man noch vor dem Frühstück eine verstümmelte Leiche findet, dachte sie, während sie darauf wartete, dass das grüne Licht über der Tür zum Behandlungszimmer aufleuchtete und damit anzeigte, dass der Patient vor ihr durch eine andere Tür verschwunden war. Die letzte Empfangsdame war schon vor Jahren geflüchtet.
    Fünfzehn Minuten später hatte das Licht immer noch nicht aufgeleuchtet.
    Berlin war irritiert, so lange dauerte es sonst nicht. In der Praxis war es still bis auf das entfernte Grollen der Central Line, das von tief unter den Grundmauern empordrang. Etwas Gipsstaub regnete jedes Mal vom Sims, wenn eine U-Bahn durch die Dunkelheit raste. Berlins Irritation verwandelte sich in Angst.
    Sie klopfte an die Tür zum Untersuchungszimmer.
    »Hallo?«
    Sie klopfte erneut, lauter, und drehte den Knauf. Die Tür ging auf, aber nur einen Spaltbreit, weil etwas sie blockierte. Berlin stemmte die Schulter dagegen, schob und spähte hinein. Das Hindernis war ein Körper. Lazenby. Ihr erster Gedanke war: Sturzbesoffen. Dann: Herzanfall.
    Aber nachdem sie die Tür so weit aufgedrückt hatte, dass sie sich durch den Spalt zwängen konnte, verrutschte der dunkle Axminster-Teppich und enthüllte alte Zeitungsseiten darunter: eine durchweichte, rote Masse. Erbrochenes? Dann sah sie das kleine Loch in seiner Brust. Lazenby war nicht stockbesoffen, er war schlicht tot.
    Berlin machte rasch einen Schritt zurück, und das Zeitungspapier verrutschte unter ihren Füßen. Sie streckte die Hand aus, um das Gleichgewicht zu halten, und schloss die Augen. Die intensiven Gefühle, die diese Wand seit fast vierzig Jahren aufgesogen hatte, schienen in ihre Handfläche zu sickern. Sie riss die Hand zurück und versuchte sich zu konzentrieren. Sie dachte wieder ans Atmen und schnappte nach Luft. Ein einziger Gedanke beherrschte sie. Scheiße .
    Die Tür des Medikamentensafes stand offen. Er war leer. Sie bückte sich und wollte Lazenby berühren, aber sie wagte es nicht. Sie kannte ihn seit mehr als zwanzig Jahren, aber er war kein Freund. Er war ihre Rettung.
    Panik erfasste sie, als ihr die Auswirkung seines Todes klar wurde. In der Hand hielt sie ihr Handy, ohne dass sie wusste, wie es dahin gekommen war. Statt 999 zu wählen, steckte sie es wieder ein und riss ein paar Rezeptvordrucke von dem Block auf seinem Schreibtisch ab. Aus Gewohnheit ging sie zur anderen Tür. Sie rannte durch das Behandlungszimmer, zurück durch die Eingangshalle
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