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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen
Autoren: Susanne Hanika
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sie. »So flicken nur Frauen.«
    »Und wieso weiß das keiner?«
    »Na ja. Mit dem Wanninger.« Großmutter runzelte die Stirn. »Einem von der SPD. Des ist doch nix.« Sie warf mir einen prüfenden Blick zu, als wäre ich mit einem von der SPD verhandelt. »Du hast mir noch immer ned g’sagt, was der Max wählt.«
    Ich räusperte mich beleidigt. Schließlich waren die Wahlen eigentlich geheim. Vielleicht nicht in unserem Dorf, aber im Prinzip. Ich tat so, als hätte ich die letzte Frage nicht gehört. Ich hatte Großmutter auch noch nicht gestanden, dass Max evangelisch war. Das war noch schlimmer, als SPD zu wählen. Das war der religiöse Super-GAU. Ihre Enkelin mit einem Lutherischen. Denn von Ökumene hielt meine Großmutter überhaupt nichts. Ich hingegen hielt sehr viel davon. Spätestens seit ich mich in Max verliebt hatte, war gelebte Ökumene mein erklärtes Ziel.
    »Die kommen wieder«, prophezeite ich ihr, um die Frage, ob Max gläubig war, gleich im Keim zu ersticken. »Und dann musst du ihnen was über den Wanninger erzählen.«
    »Denen erzähl ich gar nichts.« Großmutter setzte sich wieder vor ihren Strahlenapparat. Ihr Brillenetui zerfiel in zwei Teile, als sie die Brille herausnahm.
    »Ach geh, Oma.« Ich nahm das Brillenetui in die Hand und versuchte es zu reparieren, was von Mal zu Mal schwieriger wurde. Großmutter hatte die Theorie, dass das die ersten Angriffe einer feindlichen Macht waren, um uns zu zermürben. Ich hatte die Theorie, dass es der Zahn der Zeit war, der uns zermürben wollte.
    »Die sind doch gar nicht von der Polizei. Mädl. Überleg doch mal.« Sie legte ihren Finger auf eine Stelle in der Bedienungsanleitung, sah mich wieder an. »Die sind vielleicht vom CIA. Wie die schon g’sprochn ham. Wie welche vom CIA.«
    Der Blomberg war des Bayerischen nicht mächtig, das war richtig. Außerdem hatte er bestimmt zu viel CSI Miami gesehen. Und der andere war vielleicht in Wirklichkeit taubstumm, so wenig wie der gesagt hatte. Die Polizei hatte eben dazugelernt, seit letztem Sommer. Man konnte nicht den Schorsch mit der Zeugenbefragung beauftragen. Schließlich war er durch und durch befangen. In der vierten Klasse hatte er sich in mich verliebt. Um auf sich aufmerksam zu machen, hatte er mein Fenster mit spuckegetränkten Papierkugeln beschossen, die allesamt hängen geblieben waren. Und wer musste den Saustall wegmachen? Ich. Lisa Wild. Die mit der Sache überhaupt nichts zu tun hatte. Nur weil Großmutter gemeint hatte, dass es ihr vollkommen egal sei, ob das ich, der Schorsch oder Außerirdische fabriziert hatten.
    Andererseits verstand Schorsch natürlich Bayerisch. Das war in diesem Falle bestimmt nicht das Schlechteste. Außerdem hatte er von den wesentlichen Dingen Ahnung. Zum Beispiel, wen man wählte, in welche Kirche man wie oft ging und wann man Bratwürstln braten durfte.
    Und Kommissar Sander war auch befangen, hatte anscheinend die Obrigkeit beschlossen. Jedenfalls wenn es um die Familie Wild ging. Denn Kommissar Sander war Max und hatte zu meiner Freude entschieden mehr mit uns zu tun, als es der Polizei recht war. Wobei er genauso wie Blomberg keine Ahnung von Glauben, der richtigen Partei und bratwürstlfreien Tagen hatte.
    »Dann erzählst halt denen vom CIA vom Wanninger«, schlug ich vor. »Kann doch uns wurscht sein, ob das die vom CIA sind oder von der Polizei.«
    »Die drehn mir doch bestimmt einen Strick draus.« Sie schob die Lesebrille so nach vorne, dass sie mich besser sah. »Du hast halt keine Ahnung, was denen alles einfällt. Die sind ja ned von da. Die sind ja von drüben.«
    Drüben war wahlweise Amerika oder Russland. Momentan war Großmutter aber eher in einer anti-amerikanischen Phase. Und die Bösen waren vom CIA. Das konnte aber schnell kippen, da brauchte bloß im Winter der Troidl seine Pelzmütze aufsetzen und zu lange beim Metzger vor der Tür stehen, dann meinte Großmutter garantiert, ein KGB-Spion würde das Dorf auskundschaften, um Informationen über sie einzuholen. Jeden Winter hoffte ich, dass der Troidl endlich seine bescheuerte Pelzmütze wegschmeißen würde.
    »Die is warm«, hatte er mir mal erklärt. »Hören tust nix, wennst die aufhast, aber warme Ohren hast.« Dass seine warmen Ohren teuer erkauft waren, war ihm wahrscheinlich nicht klar. Denn Großmutter konnte dann wochenlang darüber spekulieren, was die vom KGB gegen sie in der Hand hatten. Und vor allen Dingen, was sie vorhatten. Denn von der Vergiftung des
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