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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen
Autoren: Jon Krakauer
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Anstrengungen, wurde bei 8 500 Metern ein bescheidenes kleines Hochlager in den Südostgrat gegraben. Früh am Morgen des folgenden Tages zogen Edmund Hillary, ein kräftiger Neuseeländer, und Tenzing Norgay, ein erstklassiger Bergsteiger der Sherpas, mit Sauerstoff-Flaschen ausgerüstet Richtung Gipfel los.
    Um 9 Uhr erreichten sie den Südgipfel und blickten ungläubig über den schwindelerregend schmalen Kamm, der zu dem eigentlichen Gipfel führte. Eine weitere Stunde brachte sie an den Fuß von dem, was Hillary als das »furchtbarste Problem des Kammes« beschrieb, »eine etwa zehn, fünfzehn Meter hohe Gesteinsstufe... Der Fels selbst, glatt und beinahe freistehend, hätte für eine Gruppe von ausgewiesenen Bergsteigern im Lake District eine durchaus interessante Sonntagnachmittag-Herausforderung dargestellt, aber hier war es eine Barriere, die in Anbetracht unserer großen Erschöpfung unüberwindbar erschien.«
    Während Tenzing von unten nervös Seil weggab, zwängte Hillary sich in die Spalte zwischen dem Felsen und einer vertikal verlaufenden Schneezunge an seinem Rand. Daraufhin begann er sich Zentimeter für Zentimeter an dem hochzuarbeiten, was von da an als die Hillary-Stufe bekannt werden sollte. Das Klettern war mühsam; immer wieder mußte neu angesetzt werden, aber Hillary hielt durch, bis, wie er später schrieb,
ich schließlich über das obere Ende des Felsens fassen und mich aus der Spalte heraus auf einen breiten Sims ziehen konnte. Ein paar Momente lang lag ich da und schöpfte Atem, und zum ersten Mal spürte ich eigentlich die wilde Entschlossenheit, daß uns nichts mehr daran hindern konnte, den Gipfel zu erreichen. Ich stellte mich mit beiden Füßen fest auf den Sims und gab Tenzing das Zeichen, nachzukommen. Während ich mit aller Kraft an dem Seil zog, wand Tenzing sich die Fels-spalte hoch. Oben angekommen, brach er erschöpft zusammen wie ein riesiger Fisch, der gerade nach entsetzlichem Kampf aus dem Meer an Land gezogen wurde.
    Gegen ihre Erschöpfung ankämpfend, stiegen die beiden Bergsteiger weiter den sich schlangelnden Gipfelgrat hoch. Hillary fragte sich
ziemlich benommen, ob unsere Kraftreserven noch reichen würden, um durchzukommen. Ich umging die Rückseite eines weiteren Felsblocks und sah, daß der Kamm vor uns wegbrach und wir weit in Tibet hineinblicken konnten. Ich blickte auf, und dort über uns war ein gerundeter Bergkegel. Noch ein paar Hiebe mit dem Eispickel, ein paar vorsichtige Tritte und Griffe, und Tensing [sie] und ich waren oben angekommen.
    Und so, kurz vor der Mittagszeit des 29. Mai 1953, waren Hillary und Tenzing die ersten Menschen, die auf dem Gipfel des Mount Everest standen.
    Drei Tage später erreichte die Nachricht von der Besteigung Queen Elizabeth am Vorabend ihrer Krönung, und am Morgen des 2. Juni stand es in der Frühausgabe der Londoner
Times.
Der Bericht war von einem jungen Korrespondenten namens James Morris vom Everest als kodierte Funkmeldung abgefaßt worden (um zu verhindern, daß die Konkurrenten der
Times
der Zeitung zuvorkämen.) Zwanzig Jahre später, nachdem er als Schriftsteller großes Ansehen erlangt hatte, würde er unter großem öffentlichem Aufsehen zum weiblichen Geschlecht übertreten und seinen Taufnamen in Jan ändern lassen. Wie Morris vier Jahrzehnte nach der bedeutenden Besteigung in
Die Everest-Krönung: Die Erstbesteigung und der Presseknüller, der die Königin krönte,
schrieb:
Man kann sich heute den beinahe mystischen Freudentaumel, mit dem das zufällige Zusammentreffen der beiden Ereignisse
[der Krönung und der Everest-Besteigung]
in England aufgenommen wurde, kaum noch vorstellen. Als sich die Briten endlich aus den Notzeiten erhoben, die sie seit dem Zweiten Weltkrieg heimgesucht hatten, sich aber zugleich dem Verlust ihres Weltreiches und dem unaufhaltsamen Verfall ihrer Stellung in der Welt gegenübersahen, hatten sie sich quasi eingeredet, daß die Thronbesteigung der jungen Königin ein Zeichen für einen neuen Anfang war – ein neues elisabethanisches Zeitalter, wie die Zeitungen es gerne zu nennen pflegten. Der Tag der Krönung, der 2. Juni
1953,
sollte ein Tag der symbolischen Hoffnung und Freude werden, an dem alle britischpatriotischen Loyalitäten in einer erhabenen Stunde ihren Ausdruck finden würden: Und, o Wunder aller Wunder, an ebenjenem Tag traf aus fernen Ländern – ja, von den Grenzen des alten Weltreichs – die Nachricht ein, daß ein britisches Bergsteigerteam ...das letzte,
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