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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen
Autoren: Jon Krakauer
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auch der beträchtliche Kostenaufwand konnte sie nicht abhalten. In den letzten fünf Jahren hat sich der Publikumsverkehr auf allen Sieben Gipfeln, aber vor allem auf dem Everest, in geradezu befremdendem Ausmaß vervielfacht. Und um der Nachfrage gerecht zu werden, hat die Anzahl der kommerziellen Unternehmen, die Besteigungen der Sieben Gipfel inklusive Bergführer anbieten – insbesondere zum Everest –, entsprechend zugenommen. Im Frühjahr 1996 befanden sich dreißig unterschiedliche Expeditionen an den Flanken des Everest. Und mindestens zehn davon operierten auf der Basis eines profitorientierten Unternehmens.
    Der Regierung Nepals fiel schnell auf, daß die zum Everest pilgernden Scharen ein ernsthaftes Problem in Sachen Sicherheit, Ästhetik und Umwelt heraufbeschworen. Als man sich dort mit dem Thema auseinandersetzte, fanden nepalesische Minister eine Lösung, die zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen schien: Sie beschränkten die Besuchermengen und förderten den Bargeldfluß harter Währung in die staatlichen Kassen. Sie erhöhten ganz einfach die Gebühr für Besteigungsgenehmigungen. 1991 verlangte das Tourismusministerium 2300 Dollar für eine Genehmigung, mit der ein Team beliebiger Größe sich an den Everest wagen durfte. 1992 wurde die Gebühr auf 10000 Dollar für ein Team von höchstens neun Bergsteigern erhöht; für jeden weiteren mußten noch mal 1200 Dollar hingeblättert werden.
    Aber die Bergsteiger zogen trotz der höheren Gebühren unverdrossen scharenweise zum Everest. Im Frühling 1993, am vierzigsten Jahrestag der Erstbesteigung, machte sich die Rekordzahl von 15 Expeditionen mit insgesamt 294 Bergsteigern auf den Weg, um den Gipfel von der nepalesischen Seite aus zu erklimmen. Im darauffolgenden Herbst erhöhte das Ministerium die Genehmigungsgebühr noch ein weiteres Mal – auf stramme 50000 Dollar für gerade einmal fünf Bergsteiger, plus 10000 für jeden zusätzlichen Kletterer bis zu einem Maximum von sieben. Darüber hinaus erließ die Regierung die Anordnung, daß pro Saison nicht mehr als vier Expeditionen auf die nepalesischen Bergflanken genehmigt werden konnten.
    Was die nepalesischen Minister dabei jedoch übersahen, war die Tatsache, daß China nur 15000 Dollar für ein Team beliebiger Größe verlangte, um den Berg von Tibet aus zu besteigen, und die Anzahl der Expeditionen pro Saison keiner Begrenzung unterlag. Die Flut der Everest-Besteiger verlagerte sich daher von Nepal nach China, wodurch Hunderte von Sherpas praktisch arbeitslos wurden. Der darauffolgende Aufschrei bewegte Nepal dazu, im Frühling 1996 umgehend die Vier-Expeditionen-Beschränkung zu streichen. Und da sie schon einmal dabei waren, schraubten die Regierungsminister die Genehmigungsgebühr noch mal höher – diesmal auf 70000 Dollar für sieben Bergsteiger, plus weitere 10000 für jeden weiteren. Angesichts der Tatsache, daß 16 der 30 Everest-Expeditionen letztes Frühjahr auf der nepalesischen Seite des Berges kletterten, haben die erhöhten Genehmigungskosten wohl nicht die erhoffte Abschreckung erzielt.
    Aber auch unabhängig von dem verhängnisvollen Ausgang der Bergsteigersaison im Vormonsun 1996 ist die starke Zunahme kommerzieller Expeditionen über die letzten zehn Jahre ein Reizthema geblieben. Traditionalisten nahmen Anstoß daran, daß der höchste Berg der Welt an reiche Parvenüs verkauft wurde – von denen es einige ohne die Dienste von Bergführern nicht einmal auf so bescheidene Gipfel wie den Mount Rainier schaffen würden. Der Everest sei, so beklagten die Puristen, erniedrigt und entweiht worden.
    Jene Kritiker wiesen ebenfalls darauf hin, daß dank der Kommerzialisierung des Everest, der einst als heilig verehrte Berg nun sogar in den Sumpf amerikanischer Rechtsprechung gezerrt worden ist. Etliche Bergsteiger haben ihre Führer verklagt, daß der Gipfel bei ihrer Besteigung nicht erreicht werden konnte. Hatten sie doch königliche Summen gezahlt, um dort hinauf eskortiert zu werden. »Immer wieder mal gerät man an einen Kunden, der glaubt, daß er eine Fahrkarte mit Gipfelgarantie gekauft hat«, beschwert sich Peter Athans, ein hochangesehener Bergführer, der sieben Trips an den Everest machte und dabei viermal bis zum Gipfel vordrang. »Manche Leute kapieren einfach nicht, daß eine Everest-Expedition nicht so läuft wie ein Schweizer Zug.«
    Bedauerlicherweise sind jedoch einige Everest-Gerichtsklagen durchaus gerechtfertigt. Mehr als nur einmal haben unfähige oder
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