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In einer Winternacht

In einer Winternacht

Titel: In einer Winternacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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ihr hinhielt. »Oh, vielen Dank«, stammelte sie.
»Sie müssen besser aufpassen, Miss. Ihr Glück, daß ich hübsche junge Damen nicht übers Ohr haue.«
Sondra nahm den Fünfziger entgegen und gab dem Taxifahrer einen Fünfer. Schade, daß du nicht da warst, als ich mein Baby gegen die Anerkennung meines Großvaters und eine Karriere eingetauscht habe, dachte sie.

A
    lvirah und Willy stiegen in den zweiten Stock des Hauses in der Amsterdam Avenue hinauf. Früher hatte das Gebäude das Möbelgeschäft Goldsmith und Söhne beherbergt,
heute war hier Schwester Cordelias Secondhand-Laden
untergebracht.
Es war vier Uhr. Die Kinder, die täglich nach der Schule in
die Tagesstätte kamen, saßen im Schneidersitz auf dem Boden
um Schwester Maeve Marie herum. Der große Raum war in
freundlichen hellen Farben eingerichtet und in einen
provisorischen Theatersaal verwandelt worden; der
ausgeblichene Linoleumbelag war spiegelblank poliert, und die
Holzdielen schimmerten.
Die Wände waren sonnengelb gestrichen und mit den Bildern
und Bastelarbeiten der Kinder geschmückt. Die alten Heizkörper
gurgelten und glucksten, doch dank Willy und seiner ans
Unheimliche grenzenden Fähigkeit, auch hoffnungslos defekte
Geräte zu reparieren, verbreiteten sie eine angenehme Wärme. »Heute ist ein besonderer Tag«, sagte Schwester Maeve
Marie. »Wir fangen mit den Proben für das Krippenspiel an.« Willy und Alvirah setzten sich leise auf Plätze neben der
Treppe und sahen interessiert zu. Alvirah, die regelmäßig in der
Tagesstätte aushalf, war für das Fest nach dem Krippenspiel zuständig. Willy würde den Nikolaus spielen.
»Ist es nicht schön, daß Cordelia und Maeve dafür sorgen, daß jedes Kind eine Sprechrolle bekommt?« flüsterte Alvirah. »Jedes Kind? Hoffentlich ist es eine kurze Sprechrolle«, entgegnete Willy.
Alvirah schmunzelte. »Das meinst du doch nicht so.« »Wollen wir wetten?«
»Pssst.« Sie tätschelte seine Hand, während Schwester Maeve Marie die Namen der Kinder vorlas, die die Geschichte des jüdischen Tempelweihefestes von Chanukka erzählen würden. »Rachel, Barry, Sheila…«
Cordelia kam herein und erkannte mit geübtem Auge sofort, daß gleich eine Rauferei ausbrechen würde. Sie ging zu dem lebhaften, siebenjährigen Jerry hinüber, der gerade den Sechsjährigen neben sich knuffte.
Schwester Cordelia tippte ihm auf die Schulter. »Wenn du so weitermachst, suche ich mir einen anderen heiligen Joseph«, ermahnte sie ihn, wandte sich um und setzte sich zu Alvirah und Willy. »Als ich zurückkam, habe ich wieder eine Nachricht von Pablo Torres vorgefunden«, sagte sie. »Er wird sich für uns einsetzen, und ich glaube, daß er wirklich sein Bestes tut. Allerdings ist eine Verlängerung der Genehmigung in diesem Gebäude auf keinen Fall möglich. Ich denke, er war genauso froh wie ich, als ich ihm von Bessies Haus erzählte. Er kennt die Straße und meint, er sei sicher, daß ein Umzug der Tagesstätte dorthin kein Problem sein wird. Wir könnten sogar noch mehr Kinder aufnehmen.«
Eine der Helferinnen aus dem Kleiderladen kam die Treppe hinaufgestürzt. »Schwester, Kate Durkin ist am Telefon und will mit Ihnen reden. Beeilen Sie sich, sie weint ganz entsetzlich.«
    N
    ichts erinnerte mehr an das Festessen, an dem sie sich noch vor wenigen Stunden gelabt hatten. Willy, Alvirah, Monsignore Ferris und Schwester Cordelia saßen wieder bei
Kate am Tisch. Die Gastgeberin schluchzte leise vor sich hin. »Ich habe vor einer Stunde mit den Bakers gesprochen«, sagte
sie, »und ihnen mitgeteilt, daß ich das Haus der
Kindertagesstätte stiften werde und ihren Mietvertrag deshalb
nicht verlängern kann.«
»Und sie haben dir tatsächlich ein neues Testament
vorgelegt?« fragte Willy ungläubig.
»Ja. Sie behaupten, Bessie habe ihre Meinung geändert und
sei plötzlich dagegen gewesen, daß eine Horde Kinder das Haus
verwüstet. Und die Reparaturen und Malerarbeiten, die Vic
erledigt hat, hätten ihr gezeigt, daß die Bakers das Haus im
ursprünglichen Zustand erhalten würden, wie es eigentlich ihr
Wunsch sei. Ihr wißt ja, wieviel ihr an dem Haus lag.« Sie hat sogar den Richter geheiratet, um es zu bekommen,
dachte Alvirah spöttisch. »Wann hat sie das Testament
unterschrieben?«
»Erst vor ein paar Tagen. Am 30. November.«
»Das erste Testament hat sie mir gezeigt, als ich sie am 27.
November besuchte«, sagte Monsignore Ferris. »Ich hatte den Eindruck, sie sei damit zufrieden. An diesem Tag hat sie mich auch
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