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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller
Autoren: Denise Mina
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sagen wollte.
    Aleesha schälte mit ihrer guten Hand das Etikett von der Wasserflasche, musste aufpassen, damit die Flasche nicht umfiel. Er sah sie an.
    »Was ist deine Geschichte?«
    Sie lächelte.
    »Im Ernst«, beharrte er. »Was ist los mit dir?«
    »Was soll mit mir los sein?«

    »Wieso tust du so, als hättest du sie nicht alle beisammen?«
    Sie setzte sich gerade hin, nahm die Wasserflasche und richtete die Mündung warnend auf ihn. Aber er lächelte. »Ich weiß, wie jemand aussieht, der unter Drogen steht.«
    Sie lächelte zurück. »Du magst mich wirklich, oder?«
    »Ja.« Er meinte es so ernst, dass er es kaum aussprechen konnte.
    »Warum magst du mich?«
    Sie erwartete ein Kompliment, irgendeine abgegriffene Aneinanderreihung von Vorzügen: hübsche Augen, schöne Haare, tolle Figur. Roy lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, legte die Finger um den Henkel seines Bechers, ließ die Hand auf die Tischplatte fallen und sagte das Einzige, das sie dazu bringen konnte, ihm zu vertrauen: »Ich habe keine Ahnung. Aber ich tu’s wirklich, sehr.«
    Aleesha, die Mühe hatte, gleichzeitig aus der Wasserflasche zu trinken und dabei breit zu grinsen, sah ihn an. Er beobachtete sie, mit erwartungsvoll verengten Augen maß er ihre Arme und ihre Schultern ab und liebte sie. Ihr Herzschlag beschleunigte und sie atmete tiefer, während sie ihn über die Plastikflasche hinweg ansah. Sie schluckte, spürte wie sich das Mundstück an ihrer Lippe festsaugte und löste die Flasche von ihrem Mund.
    »Roy?«
    Er lächelte, nur weil sie den Namen sagte.
    »Roy, hast du ein Auto?«

    Morrow erkannte den Wagen nicht. Es war nicht ihr Wagen, aber sie sah trotzdem hinein, weil es das einzige zivile Fahrzeug auf dem Hof war, das sie nicht sofort erkannte. Ein
schwerfällig hellblauer Honda Accord. Die Geste kam so unerwartet, dass sie ihr den Atem raubte. Sie blieb auf der Rampe stehen und hielt sich am Handlauf fest.
    Er saß auf der Fahrerseite, die Hände auf den Oberschenkeln, und sah ihr entgegen. Brian hatte das Auto gekauft, ohne sie zu fragen. Ein Gebrauchtwagen. Kein besonders toller Wagen, eigentlich eher eine Schrottkarre, aber genau dasselbe Modell, das er besessen hatte, als sie sich kennenlernten.
    Er hatte an der Bushaltestelle gehalten, draußen vor dem Battlefield Rest am Victoria Krankenhaus und ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren. Sie gingen beide aufs Langside College, waren aber nicht befreundet, sondern hatten nur ein paarmal in Geschichte nebeneinandergesessen und sich gegenseitig wahrgenommen, auch ein- oder zweimal mit mehreren Leuten zusammen Kaffee getrunken.
    Jetzt, mit der abgeklärten Weltsicht der Polizistin, würde sie niemals zu einem Mann ins Auto steigen, den sie nicht kannte. Jetzt hätte sie sich heruntergebeugt und, obwohl ihr der Regen auf die Kapuze prasselte und ihre Füße eiskalt waren, dankend abgelehnt, sie würde auf den Bus warten, ihn morgen sehen, ach und übrigens, wusste er eigentlich, dass er im absoluten Halteverbot hielt? Jetzt wäre sie niemals zu Brian ins Auto gestiegen. Aber damals hatte sie die Wärme gespürt, die aus dem Fenster auf der Beifahrerseite strömte und war eingestiegen, weg von der kalten Bushaltestelle und hatte ihre Kapuze abgezogen und er hatte sie nach Hause gefahren. Sie hatten über Musik geredet, über das Wetter und den Geschichtslehrer und darüber, dass Brian gerne wandern ging und ob sie Lust hatte, mal mitzukommen.

    Zwei Jahre lang hatte er den Wagen behalten und ihn kurz vor ihrer Hochzeit an einen Schrotthändler verkauft. Sie hatte darauf bestanden, dass sie gemeinsam einen neuen kauften, bescheidener aber unverbraucht, neu, einen, der keine Probleme zu machen versprach.
    Am Fuß der Rampe wirbelte der Wind über den Polizeihof, fegte Blätter unter die Autos. Die Tür zum Reviergebäude schlug hinter ihr zu, und ein paar Polizisten zwängten sich an ihr vorbei die schmale Rampe herunter. Sie ließ sie durch und eilte dann zu dem hellblauen Wagen, stellte sich vor die Kühlerhaube und sah Brian an. Er blickte durch die Windschutzscheibe und nahm die Brille ab. Zwei rote ovale Dellen saßen auf seiner Nase, seine Augen wirkten ohne die Brille roh. Er sah jünger aus.
    Morrow wollte durch die Windschutzscheibe fliegen und ihn überfluten, ihn mit ihrem Körper ersticken, verschlingen. Stattdessen ließ sie das Kinn auf die Brust sinken und verbarg ihr Gesicht für den Fall, dass sie beobachtet wurde, denn überall im Hof waren Kameras
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