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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller
Autoren: Denise Mina
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zuckte, was ihre Sicht durch das regennasse Wagenfenster noch mehr trübte. Wenn sie sich bis zu ihrem Eintreffen nicht beruhigte, würde sie etwas ausplaudern, sich vor ihm zur Idiotin machen. Der Gedanke, Grant Bannerman leibhaftig von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, ließ sie erneut an den Fingern kauen.
    Vor Jahren, während ihrer Ausbildung, hatte ihr ein wohlmeinender Beamter geraten, niemals die Entscheidungen eines Vorgesetzten anzuzweifeln, vergiss das mit der Gerechtigkeit, mach deinen Job, ignorier die Taktierer und nimm nichts von dem, was du erlebst, mit nach Hause. Was hatte der schon für eine Ahnung, dachte sie jetzt und grub ihre Zähne noch tiefer in die Haut. Zu mehr als zum Sergeant hatte er’s nie gebracht. Auf der Ebene auf der sie sich jetzt befand, ging es nur noch um Taktik, sie kam kaum dazu, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Sie kam kaum noch nach Hause.
    Dieser Anflug von Melodramatik war ihr peinlich genug und sie besann sich wieder. Sie nahm den Finger aus dem Mund. Sie hatte ein Zuhause. Natürlich hatte sie ein verdammtes Zuhause. Sie hatte nur keine Lust hinzufahren.

    Der Wagen schnurrte leise, der uniformierte Fahrer ließ sich Zeit, beachtete jede Verkehrsregel, weil sie im Wagen saß und er nichts riskieren wollte. An jeder roten Ampel zog er die Handbremse. Am liebsten hätte sie ihm eine gescheuert.
    Sie wusste, dass sie unbeherrscht war, dass ihr Zorn unverhältnismäßig war und sich willkürlich gegen alles Mögliche richtete, aus ihr herausströmte wie Wasser durch ein Sieb. Das fiel natürlich auf; in ihren Arbeitszeugnissen waren Bemerkungen darüber zu finden. »Macht nichts«, sagte sie. »Macht gar nichts.«
    Bis dahin war es eine ruhige Nacht gewesen. Im Oktober ging es mit dem kalten Wetter los, die betrunkenen Straßenschläger eilten jetzt nach Hause und verprügelten lieber ihre Ehefrauen in der warmen Wohnung, und die richtig bösen Menschen fuhren über den Winter in die Sonne. Es war der Beginn des akademischen Jahres, fiel ihr ein, eine gute Zeit für langwierige Ermittlungen und erneut ausgegrabene, alte Fälle.
    Die Straßen waren leer. Kalter Regen prasselte sanft gegen die Scheibe, wurde von den rhythmischen Bewegungen der Scheibenwischer verdrängt, wodurch die Victoria Road immer wieder klar zum Vorschein kam und anschließend verschwamm. Sie kannte die Adresse zu der sie unterwegs waren noch aus ihrer Kindheit, die Vorstadtgegend war so ruhig, dass sie seit Jahrzehnten nicht mehr hierher zurückgekehrt war. Die Straftaten, die hier begangen wurden, waren harmlos, meist Einbrüche oder zu laute Teenagerpartys.
    Sie sah, dass der Fahrer unsicher auf sein tonloses Navigationsgerät blickte. »Fahren Sie am Kreisverkehr rechts«, sagte sie, »dann links.«

    Sie waren nur wenige Straßen entfernt, weshalb sie die Checkliste durchging, an der sie sich vor jedem Einsatz orientierte. Die Haare ordentlich, leichtes Make-up, nicht verschmiert, sie fuhr sich jeweils mit dem Finger unter den Augen entlang. Sie hatte kleine Augen und meist verschmierte ihre Wimperntusche. Die Handtasche lag auf dem Boden des Wagens und ließ nichts Persönliches erkennen, keine Fotos oder Tampons lugten heraus. Sie zog sich die Kostümjacke zurecht, berührte die Knöpfe mit den Fingerspitzen, vergewisserte sich, dass ihre Rüstung intakt war.
    Der Wagen fuhr an eine Straßenmündung und hielt vor einem offensichtlich erst jüngst angebrachten Einfahrtverbotsschild. Der Fahrer zögerte, da er nicht wusste, ob er gegen das Gesetz verstoßen oder sich daran halten und sich der angegebenen Adresse über einen komplizierten Umweg durch Seitenstraßen nähern sollte.
    »Fahren Sie rein«, wies sie ihn barsch an.
    Er bog langsam in die Straße ein, als widerstrebte es ihm. Er hatte mal eine Rüge wegen Geschwindigkeitsüberschreitung bekommen, fiel ihr jetzt wieder ein und nun zeigte er seiner Chefin, dass er daraus gelernt hatte.
    Die Straße war kleiner, als sie sie in Erinnerung hatte, die Häuser eher flache Bungalows als weitläufige Anwesen. Auf dem Weg zur Grundschule hatte sie diese Straße jeden Tag überquert. Sie erinnerte sich noch an die warme Hand ihrer Mutter, die sie über die Straße führte. Bei dem Gedanken daran schlang sie die Finger um ihren Handballen. Diese Gegend war ihnen damals ausgesprochen wohlhabend erschienen.
    Nun war die Straße mit blauweißem Band blockiert. Ein uniformierter Polizist stand vor der Absperrung und näherte
sich der Fahrertür,
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