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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
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erkennst ihn an dem Homburg, der neben seinem Glas auf der Theke liegt. Er sagt dir, wie du in das Gebäude rein- und wieder rauskommst.«
    »Danke, Mr.   Hickey.«
    Das quittierte Hickey, indem er sein Glas hob. »Noch was. Erinnerst du dich an den Kartengeber, über den wir letzten Monat gesprochen hatten?«
    »Klar«, sagte Joe. »Carl.«
    »Er zieht wieder linke Touren ab.«
    Carl Laubner, einer ihrer Kartengeber beim Blackjack, hatte zuvor in einem Abzockerladen gearbeitet und war nicht dazu zu bewegen, in Tim Hickeys Kasino sauber zu spielen. Jedenfalls nicht, wenn Zocker dabei waren, die nicht einhundertprozentig nach Weißen aussahen. Wenn also ein Italiener oder Grieche am Tisch Platz nahm, konnte man die Sache vergessen. Auf magische Weise teilte Carl die ganze Nacht Zehnen und Asse aus, zumindest so lange, bis die dunkelhäutigeren Gentlemen sich einen anderen Zeitvertreib suchten.
    »Schmeiß ihn raus«, sagte Hickey. »Gleich, wenn er kommt, sagst du ihm, dass er sich einen neuen Job suchen kann.«
    »Ja, Sir.«
    »Solcher Bockmist läuft hier nicht, da sind wir uns hoffentlich einig.«
    »Absolut, Mr.   Hickey. Absolut.«
    »Außerdem stimmt was mit dem Spielautomat Nummer zwölf nicht – da ist irgendwas locker, jedenfalls spuckt er zu viel Geld aus. Wie auch immer, bei uns geht alles korrekt zu, aber wir sind kein verdammter Wohltätigkeitsverein, stimmt’s, Joe?«
    Joe machte sich eine Notiz. »Nein, Sir, im Leben nicht.«
    Tim Hickey betrieb eins der wenigen sauberen und deshalb auch beliebtesten Kasinos in Boston, insbesondere was das hochklassige Glücksspiel betraf. Tim hatte Joe gelehrt, dass man mit getürkten Spielen jemanden maximal zwei-, dreimal ausnehmen konnte, bevor er aus Schaden klug wurde und nicht wiederkam. Und Tim wollte die Besucher seines Etablissements nicht bloß ein paarmal schröpfen; er wollte ihnen für den Rest ihres Lebens die Taschen leeren. »Lass sie spielen, lass sie trinken«, hatte er Joe erklärt, »und am Ende sind sie uns sogar dankbar dafür, dass wir sie von der Last ihrer Kohle befreit haben.«
    »Unsere Kunden?«, hatte Tim mehr als einmal gesagt. »Sie wollen ein bisschen am Nachtleben teilhaben, das ist alles. Aber wir, wir leben in der Nacht. Sie zahlen für das, was uns gehört. Und wenn sie in unseren Sandkasten kommen, verdienen wir an jedem einzelnen Sandkorn.«
    Tim Hickey gehörte zu den klügeren Menschen, die Joe in seinem Leben kennengelernt hatte. Zu Beginn der Prohibition, als man in der Stadt noch strikt unter sich geblieben war – Italiener unter Italienern, Juden unter Juden, Iren unter Iren –, hatte Hickey Allianzen gesucht. Er hatte sich mit Giancarlo Calabrese verbündet, der die Führung der Pescatore-Bande übernommen hatte, solange der alte Pescatore hinter Gittern saß; gemeinsam hatten sie in karibischen Rum investiert, während alle anderen sich auf den Whiskeymarkt konzentriert hatten. Und während die Gangs in Detroit und New York ihre ganze Kraft darauf verwendeten, noch mehr Subunternehmer für den Whiskeyhandel zu finden, brachten Hickey und Pescatores Handlanger nach und nach den Markt für Zuckerrohr und Melasse unter ihre Kontrolle. Die Rohstoffe kamen großteils aus Kuba, wurden über die Florida Straits ins Land gebracht, auf amerikanischem Boden zu Rum verarbeitet und dann an die Ostküste geschmuggelt, wo der Alkohol mit achtzig Prozent Gewinnspanne an den Mann gebracht wurde.
    Als Tim von seinem Abstecher nach Tampa zurückgekehrt war, hatten sie über den schiefgelaufenen Überfall auf die Spielhölle gesprochen. Er lobte Joe dafür, dass er klug genug gewesen war, Albert Whites Geldzählraum außen vor zu lassen (»Sonst wäre hier Krieg ausgebrochen, aber was für einer«), und versicherte ihm, dass jemand von einem verdammt hohen Balken baumeln würde, sobald er herausfand, wer ihnen diese Suppe eingebrockt hatte.
    Joe hoffte, dass er ihm Glauben schenken konnte – andernfalls hätte er nämlich davon ausgehen müssen, dass Tim sie auf ebenjenes Kasino angesetzt hatte, weil er auf einen Krieg mit Albert White scharf war. Und es war Tim durchaus zuzutrauen, dass er ein paar seiner Männer – ungeachtet der Tatsache, dass er sie schon seit ihrer Jugend kannte und gefördert hatte – über die Klinge springen ließ, um den Markt für Rum ganz in seiner Hand zu haben. Tatsächlich war Tim alles zuzutrauen. Absolut alles . Wer in diesem Geschäft weiter in der ersten Liga spielen wollte, durfte keinen Zweifel
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