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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
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und irgendwie nach Sägemehl schmeckte, jedenfalls nicht wie richtiges Bier und auch kaum nach Alkohol. Im schummrigen Licht sah er sich nach Emma Gould um, erspähte aber nur Dockarbeiter, zwei Matrosen und ein paar Nutten. An der Backsteinwand unter der Stiege stand ein Klavier mit kaputten Tasten. In dieser Art Etablissement wurde nicht viel Unterhaltung geboten, mal abgesehen von der Schlägerei, zu der es zwangsläufig kommen musste, sobald den Matrosen und den Hafenarbeitern aufging, dass zwei Bordsteinschwalben zu wenig anwesend waren.
    Sie trat aus der Tür hinter der Bar, knotete gerade ein Tuch hinter ihrem Kopf fest. Sie hatte sich umgezogen; statt Rock und Bluse trug sie nun einen groben beigefarbenen Pullover und eine braune Tweedhose. Sie ging den Tresen entlang, leerte die Aschenbecher aus und wischte ein paar Bierpfützen weg, während die Frau, die Joes Bier serviert hatte, ihre Schürze löste und im Hinterraum verschwand.
    Als sie zu Joe kam, sagte sie mit einem Blick auf sein fast leeres Glas. »Noch eins?«
    »Gerne.«
    Sie musterte ihn kurz, schien sich aber nicht sonderlich für ihn erwärmen zu können. »Wer hat Sie denn an uns weiterempfohlen?«
    »Dinny Cooper.«
    »Kenne ich nicht«, sagte sie.
    Ganz meinerseits, dachte Joe, während er sich fragte, wie, zum Teufel, er auf diesen hirnrissigen Namen gekommen war. Dinny? Warum hatte er ihn nicht gleich »Snacky« genannt?
    »Er wohnt in Everett.«
    Sie machte nicht die geringsten Anstalten, ihm etwas zu trinken zu bringen. »Ach ja?«
    »Wir haben letzte Woche zusammengearbeitet. Drüben in Chelsea, auf dem Bau.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Jedenfalls hat Dinny über den Fluss gezeigt und mir von dem Laden hier erzählt. Er meinte, hier gäb’s echt gutes Bier.«
    »Tatsächlich? Sie lügen ja wie gedruckt.«
    »Weil ich gesagt habe, hier gäb’s gutes Bier?«
    Sie starrte ihn so durchdringend an wie in Albert Whites Spielhölle, als könne sie seine Eingeweide sehen, das rosa Gewebe seiner Lungen, die Gedanken, die gerade durch seine Hirnwindungen schossen.
    » So schlecht ist das Bier doch gar nicht«, sagte er und prostete ihr zu. »Ich habe woanders schon mal ein paar gezischt. Also, ich schwöre, das Bier war wirklich…«
    »Wollen Sie mir noch weiter Märchen erzählen?«, fragte sie.
    »Miss?«
    »Also?«
    Er beschloss, den Gekränkten zu spielen. »Ich lüge nicht, Miss. Aber ich kann auch wieder gehen, wenn Sie wollen. Überhaupt kein Problem.« Er stand auf. »Was schulde ich Ihnen?«
    »Zwanzig Cent.«
    Er drückte ihr zwei Dimes in die ausgestreckte Hand, und sie ließ die Münzen in der Hosentasche verschwinden. »Das machen Sie doch sowieso nicht.«
    »Was?«
    »Verschwinden. Das haben Sie bloß gesagt, um mich zu beeindrucken. Damit ich Sie bitte zu bleiben.«
     »Von wegen.« Er zog seine Jacke über. »Und ob ich jetzt gehe.«
    Sie lehnte sich an die Bar. »Kommen Sie mal her.«
    Er hob das Kinn.
    Sie winkte ihn mit dem Zeigefinger zu sich. »Näher.«
    Er räumte ein paar Hocker beiseite und lehnte sich über den Tresen zu ihr.
    »Sehen Sie die Jungs da drüben in der Ecke? Die an dem Apfelfass?«
    Die drei Kerle waren ihm schon beim Betreten des Kellers aufgefallen. Anscheinend Hafenarbeiter, dachte er – Schultern wie Schiffsmasten, Hände wie Felsbrocken und Augen, die man lieber nicht mit neugierigen Blicken provozierte.
    »Ja, und?«
    »Das sind meine Cousins. Erkennen Sie die Ähnlichkeit?«
    »Nein.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Raten Sie mal, womit sie ihre Brötchen verdienen.«
    Sie waren sich nahe genug, um sich gegenseitig mit den Zungenspitzen berühren zu können.
    »Keine Ahnung.«
    »Sie knöpfen sich Typen vor, die von irgendwelchen erfundenen Dinnys quasseln, und schlagen sie zu Brei.« Ihr Gesicht rückte noch ein Stückchen näher. »Und dann werfen sie die armen Kerle in den Fluss.«
    Joe verspürte den Anflug einer Gänsehaut im Nacken. »Interessanter Beruf.«
    »Auf jeden Fall besser, als Pokerrunden zu überfallen, oder?«
    Um ein Haar wären Joe die Gesichtszüge entgleist.
    »Wie wär’s mit einem cleveren Spruch?«, sagte Emma Gould. »Vielleicht irgendwas über die Socke, die Sie mir in den Mund gestopft haben. Ich will etwas echt Schlagfertiges hören.«
    Joe schwieg.
    »Und nur damit Sie’s nicht vergessen«, fuhr Emma Gould augenzwinkernd fort. »Die Jungs behalten uns die ganze Zeit im Auge. Sobald ich mein Ohrläppchen berühre, schaffen Sie’s nicht mal bis zur Tür.«
    Er
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