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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt
Autoren: Roger Aeschbacher
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einen Onkel oder Bruder, irgendeinen Freund des Mädchens? Hier gab es momentan nichts zu holen. Auf eine Art war Baumer auch froh, dass er sich die Hintergründe der Geschichte noch ersparen konnte. Es war ihm schon klar, dass es hinter dieser Tragödie einen unerträglichen Konflikt gegeben haben musste. Niemand tötet einen so jungen Menschen, fast noch ein Kind, es sei denn, dieser Jemand war schwer gestört, entweder von Geburt an oder aufgrund eines die Seele zerfressenden Leidens. Das Motiv? Liebe vielleicht, oder doch nur Religion? Beides kam in Frage. Beides war unverständlich.
    Eines musste Baumer noch wissen. War die Mutter alleinstehend oder lebte sie mit dem Vater zusammen? »Halt, wartet!«, rief er dem Mann zu, der die breite Klapptür bereits geschlossen hatte und vorne einsteigen wollte. »Ich muss doch noch mit der Frau sprechen.«
    Der Sanitäter zog den Mund schief, schüttelte den Kopf und sog zischend Luft ein, als saugte er sie durch einen kaputten Zahn. Dann öffnete er aber doch nochmals die Tür.
    Baumer schob seinen Kopf in den Wagen.
    Clara Werthmüller schaute nicht auf. Sie lächelte milde, verklärt, ihre Hände lagen jetzt auf Ober- und Unterarm des Mädchens, streichelten es zärtlich.
    Als Baumer sich räusperte und die Frau ansprechen wollte, kam ihm diese zuvor. »Wir fahren ins Spital«, erzählte die Mutter ohne den Blick vom ihrem Kind zu lassen. »Es geht Mina nicht gut. Aber im Spital helfen sie uns ganz bestimmt. Meine Mina wird wieder ganz gesund.« Sie lächelte, ja begann, richtiggehend zu leuchten, und strich ihrem Kind die Haartolle zum unendlichsten Male aus der Stirn.
    Andi Baumer schluckte. Er spürte die Hand des Sanitäters am Oberarm, die ihn sachte, aber bestimmt vom Wagen wegzog.
    »Lass gut sein«, sagte der erfahrene Mann. »Ich informiere euch später.« Er stieg auf der Fahrerseite ein, startete sogleich den Motor.
    Heinzmann löste das Polizeiband, machte Platz. Der Wagen fuhr gemächlich weg, während ihm die Gaffer ein wenig missmutig Spalier gaben, enttäuscht, dass die Action hier schon bald vorbei sein würde.
    Ein alter, dürrer Mann mit länglichem Gesicht zog seinen ziemlich lädierten Sommerhut, als das Sanitätsauto an ihm vorbeischlich. Er schlug mit der rechten Hand ein Kreuz.
    Kaum dass der Wagen der Sanitäter auf die Peter-Merian-Straße eingebogen war, kam der Einsatzwagen der Spurensicherung. Die Gesichter der Gaffer hellten wieder auf. Es würde doch noch mehr zu sehen sein.
    Viel gab es für das Team der Kriminaltechnik hier allerdings nicht mehr zu tun. Es konnte keine Patronenhülsen einsammeln oder andere Gegenstände, auf denen Fingerabdrücke zu erwarten waren – außer einem Messer und das hatte Heinzmann schon gesichert. DNA-Spuren würde man auf dem Boden suchen, dort, wo der tote Körper gelegen hatte, einfach weil es das Prozedere so vorschrieb. Am ehesten Erfolg in ihrer Arbeit würden die Ermittler aber mit der Leiche selbst haben. An ihr würde man mit einiger Wahrscheinlichkeit Spuren des Täters finden. Vielleicht Hautfetzen unter den Fingernägeln, Speichelspuren am Genick oder im Gesicht etwa, mit Glück sogar Haare des Täters. Die Bestimmungen der Herkunft von allfälligen Spuren an der Leiche aber waren Aufgabe der Gerichtsmedizin. Am Täter wiederum könnte man wohl auch Blutflecken des Opfers finden. Nur war hier kein Täter. Hier, vor Ort, war primär die Tatwaffe von Bedeutung. Heinzmann ging denn auch zu seinem Wagen und händigte den Kollegen einen transparenten Plastikbeutel aus, in den er die Mordwaffe zuvor geschoben hatte.
    Das Messer war ein verbotenes Springmesser, die Klinge voller Blut, die Plastiktüte innen von diesem Blut verschmiert. Der schlanke Holzgriff und die gebogene, schmale Klinge des Messers erinnerten an den erigierten Penis eines Hundes.
    Die zwei Forensiker übernahmen das Beweisstück und kleideten sich dann in weiße Ganzkörperanzüge. Über ihre Schuhe stülpten sie Plastikfüßlinge. Die Hände schützten sie mit Gummihandschuhen, vor den Mund schlugen sie Masken.
    Der Gefreite Meier war mittlerweile zurückgekommen und meldete, dass er nichts Außergewöhnliches entdeckt hatte.
    »Okay. Gut.«, meinte Heinzmann zu seinem Untergebenen. »Bleib hier und schau, dass die zwei in Ruhe arbeiten können.«
    Baumer blickte zu den Gaffern. »Ich gehe nochmals zu den Leuten, die das Mädchen gefunden haben«, meldete er sich bei Heinzmann ab. »Vielleicht ist einem doch noch was
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