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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt
Autoren: Roger Aeschbacher
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Sie weggegangen?«, suchte Kommissar Baumer nach einer Antwort.
    »Darf ich das nicht?«, antwortete der Alte wie aus der Kanone geschossen und sah sein Gegenüber scharf an. Er machte Anstalten, sich wegzudrehen.
    Baumer erschrak über die Schärfe dieser Antwort. In seiner Not hielt er den Alten am Arm fest. »Warten Sie mal!«
    Der dürre Rentner versuchte sogleich, sich loszuschütteln, als hätte er eine Pferdehornisse auf seinem Arm. Baumer sah im Gesicht seines Gegenübers die Wut hochkommen. Er ließ ihn los.
    Der wortkarge Alte schnappte nach Luft. »Was erlauben Sie sich? Was wollen Sie von mir?«
    »Eine Auskunft.«
    »Ich sage nichts.«
    »Ich bin Kommissar Baumer vom Kriminalkommissariat Basel – Mordkommission«, stellte sich Andreas Baumer vor. Er erhob seine Stimme. »Wenn Sie etwas über diesen Mord wissen, müssen Sie es mir sagen.«
    »Mord?«, entgegnete der Alte plötzlich, als würde ihm erst jetzt die Erkenntnis kommen, dass im gemütlichen Basel, im hier und jetzt, eine Tragödie geschehen war. »Ich habe nichts gesehen«, zermalmte der 80-Jährige seine Worte zu Brei.
    Baumer war unbeeindruckt, ließ nicht locker. »Sie waren auf der Straße. Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
    Der Alte hob den Kopf, seine Haltung versteifte sich. Er schien nunmehr gefasst, als er in deutlicher Aussprache, so als stünde er vor Gericht, klarstellte: »Es tut mir leid, aber ich kam zufällig hier vorbei. Als ich eintraf, war schon alles vorüber. Ich habe nichts gesehen.« Sein Blick schwenkte zum Boden.
    Das Handy des Kommissars läutete. Genervt zog er das Mobiltelefon aus der Hosentasche und inspizierte das Display. Es war Rolf Danner aus Zürich-Höngg, Journalist des Boulevardblattes Blick. Sogleich sah Baumer den Reporter vor sich. Nur 1 Meter 65 groß, quirlig, immer auf dem Sprung, auf der Nase eine riesige Fliegenaugensonnenbrille. Diese Brille war sein Markenzeichen, ebenso wie seine längst aus der Mode gekommenen, verbeulten Gabardinehosen mit ausgeleierten Taschen. Danner hatte mal was hergegeben als Dandy, aber das war lange her. Er war Spürhund und Experte für Mordfälle, immer unterwegs. Da blieb wenig Zeit, um mit der Mode zu gehen. Der Kommissar nahm das Gespräch an, aber noch bevor der in Basel stationierte Blick-Reporter etwas fragen konnte, sprach Baumer in das Mikrofon und wies Danner schroff an, er solle kurz warten. Er senkte das Mobiltelefon, beeilte sich den Alten zu fragen: »Wie heißen Sie?«
    »Hans Steiner.«
    »Wo wohnen Sie?«
    »An der Gempenstraße.«
    Baumer fragte nach der Nummer. Warum er das tat, wusste er nicht.
    »Kann ich jetzt gehen?«, wollte der Alte wissen, als er sie ihm gesagt hatte.
    Baumer wusste nichts Richtiges mit dem einsilbigen Mann anzufangen. Also nickte er, drehte sich von ihm weg und führte sein Handy wieder ans Ohr.
    »Rolf?«
    »Hallo Baumi. Du, stimmt das mit dem Kind?«
    »Ja, ein junges Mädchen.«
    Der Kommissar hörte dumpf, wie Danner – er musste sein Telefon wohl gesenkt haben – der Schreck in die Glieder fuhr. »Ohh …«, klang es von weit her. Dann hörte er das Rauschen eines tiefen Atemzugs, gefolgt von einem leisen »Mein Gott.« Schließlich hörte er den Journalisten wieder deutlich »Das ist ja furchtbar« sagen, dem noch zwei erschöpfte Atemzüge hinterherrauschten.
    Baumer wurde angesteckt, presste einen Atemstoß hervor. Er stand auf der Straße und fühlte sich völlig verloren. Ein junges Mädchen war tot. Eine Mutter auf ewig erschüttert. Das ließ keinen kalt. Danner nicht, Meier nicht und selbst den erfahrenen Heinzmann nicht. Andreas Baumer fühlte sich kraftlos und allein, wie ausgesetzt in öder Wildnis. Der Basler Kommissar fand sich einfach nicht zurecht mit dieser einmaligen Situation. Es gab keine Routine bei einem solchen Job. Hier hatte kein im ruhigen Büro vorformulierter Ablauf mehr Gültigkeit. Baumer dachte, die Sanitäter haben es noch am einfachsten. Die haben ihre erprobten Regeln, wie vorzugehen ist. »Gibt er Antwort?« Wenn nicht, ist zu schauen, ob er noch atmet. Wenn Atmung da ist, als nächstes Blutung suchen, Puls, und so weiter. Die medizinische Logik in diesen Aktivitäten gab Sicherheit. Man machte eines nach dem anderen. Am Schluss ist ein Leben gerettet. Aber hier, bei Mina, gab es nichts zu retten. Sie war tot, und Baumer fühlte sich hilflos. Es gibt keine Checkliste für den Mord an einem so jungen Menschen. Von ihm als Basler Kriminalkommissar wurde ganz einfach erwartet, dass er in
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