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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt
Autoren: Roger Aeschbacher
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solch einer Situation nach Intuition vorgehen würde. Also musste er Antworten suchen, warum einer etwas getan hat, was kein normaler Mensch sich überhaupt ausdenken kann.
    Andreas Baumer war daher froh, dass Rolf Danner ihn angerufen hatte. Er konnte jede Unterstützung, in welcher Form auch immer, gut gebrauchen. Der Kommissar kannte den Blickjournalisten schon lange. Danner war in Ordnung. Zusammen hatten sie sich bei ein paar Fällen ganz flott unterstützt. Es war gut, dass der Zürcher eine andere Funktion hatte als er. Sogenannte Kollegen hatte Baumer genug. Polizisten, die nur eifersüchtig auf seinen Erfolg als Fahnder waren, ihm seinen Rang neideten und ihn sogar absichtlich ins Verderben laufen ließen, immer gierig darauf, eine entstehende Lücke zu füllen. Es konnte nichts schaden, wenn Rolf Danner dabei war und seine Spürnase zur Verfügung stellte.
    »Hör zu, Danner!«, nahm Baumer das Gespräch auf. »Hier ist etwas Schlimmes passiert. Messerstiche. Einer direkt ins Herz.« Baumer sprach rasch, zügig, irgendwie monoton. Es schien, als wolle er es ganz schnell hinter sich bringen, was zu sagen war. »Das Mädchen ist etwa 14 Jahre alt, womöglich jünger. Trägt aber schon ein Kopftuch. Hat auch einen Sack, also ich meine, einen Rock an, an den Füßen aber grün fluoreszierende Plastiksandalen.«
    »Hm«, machte Danner um zu zeigen, dass er verstanden hatte. Dann fragte er: »Wie ist es erstochen worden?«
    »Alle Stiche scheinen in der Brust zu sein. Der Täter kam also von vorne. Oder er hat es von hinten umarmt und dann zugestochen. Also … Ich weiß nicht. Es gibt einfach Stichwunden in der Brust«, wurde Baumer leiser.
    »Stiche in Brust«, notierte der Journalist.
    Es tat Andreas Baumer gut, dass jemand da war, der so etwas wie Routine in seine Arbeit brachte. Doch auch Danner schien nicht völlig Herr der Lage zu sein. Der Journalist unterbrach ihn nicht unnötig, aber immer wieder entwich ihm zwischendurch ein »Oh«, als Baumer weitererzählte, wie jede Erste Hilfe zu spät gekommen war, wie es ganz einfach nichts mehr zu retten gegeben hatte, wie die Mutter zusammengebrochen war und einen Schock – natürlich einen Schock! – erlitten hatte.
    »Gibt es Zeugen?«
    »Nein. Jede Menge Gaffer, aber keine Zeugen. Wobei …«
    Hellhörig hakte Danner nach: »Wobei was?«
    »Es war da so ein alter Mann«, antwortete Baumer automatisch und beinahe unbewusst. »Der war irgendwie speziell.«
    »Wie soll ich das verstehen?«, fragte der Journalist als Journalist.
    »Er ging weg, als ich in Erfahrung bringen wollte, ob irgendjemand das Mädchen kenne.«
    »Hast du eine Vermutung?«
    »Nein, Gottverdammi«, brüllte Baumer plötzlich los. Es war, als hätte die Erde ohne Vorwarnung heftig gebebt.
    Danner sagte nichts, fühlte sich auch nicht persönlich angegriffen. Es prallte an ihm ab, oder besser gesagt, er schluckte es rasch hinunter. Vielleicht würde es irgendwann wieder einmal hochkommen.
    Andi Baumer fühlte sich erleichtert, sagte aber doch noch: »Entschuldigung, Danner«. Er schaute sich ein wenig verlegen um, ob irgendjemand durch sein Toben aufgeschreckt war. Nein, er stand bereits zu weit entfernt von den Gaffern, und Steiner war schon nicht mehr zu sehen.
    »Schon gut, Baumer«, zeigte Danner Verständnis. »Ich kann deine Wut nachvollziehen. Ich bin auch durcheinander.«
    Baumer nickte. Ihm war heiß. Er fuhr sich durch die Haare, als könne ihm das Kühlung verschaffen. Es gelang nicht.
    »Also. Wie wollen wir vorgehen?«
    Der Kommissar überlegte, versuchte irgendeine Systematik in die nächsten Schritte zu bringen. »Du checkst die Umgebung der Frau ab. Wer ist der Vater, gibt es Brüder, Schwestern, und so weiter? Heinzmann meint, dass es immer in der Familie liegt, wenn ein muslimisches Kind umkommt. Es ist immer in der Familie.«
    »Und du? Was machst du?«
    »Ich muss nochmals zu diesem Alten. Der weiß etwas. Das spüre ich.«

    *
    Andreas Baumer, 48 Jahre alt, und Kriminalkommissar in Basel, wischte sich mit einem Papiertaschentuch über die verschwitzte Stirn, die Wangen, den Halsausschnitt. Als er mit Danner telefoniert hatte, hatte er in der prallen Sonne gestanden, und die prasselte, jetzt morgens gegen 9 Uhr, immer mächtiger auf die bereits halbgegarten Basler.
    Den alten Mann, diesen Steiner, musste er genauer unter die Lupe nehmen, so viel war ihm klar. Also marschierte er los in Richtung Gempenstraße. Der Rentner hatte dieselbe Richtung eingeschlagen, war wohl
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