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In der Brandung

In der Brandung

Titel: In der Brandung
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Kollegen waren Profis – man fragt einen Bullen nicht nach seinen Informanten – und stellten keine Fragen.
    Die junge Polizistin kümmerte sich um Ginevra und nahm sie mit. Sie machte den Eindruck, als wisse sie, was sie zu tun hatte, und Roberto war erleichtert.
    Die anderen nahmen sich die Jungs vor. Derjenige, der mit Ginevra auf dem Bett überrascht worden war, weinte immer noch; der zweite hatte einen großen dunklen Fleck auf der Hose und roch nach Urin; der Anführer war kreidebleich. Er versuchte immer noch aufzutrumpfen und sich seiner Rolle gemäß zu verhalten, doch auch er schien kurz davor zusammenzubrechen.
    Carella verständigte das Jugendgericht. Er sagte, er habe einen dringenden und vertrauenswürdigen Hinweis auf eine große Menge an Drogen in der Wohnung bekommen, doch als er dann die Durchsuchung auf der Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes veranlasst hatte – die Regelung, die Roberto auch dem Alten mit dem Revolver erklärt hatte –, waren seine Leute auf eine viel schlimmere Angelegenheit als einen simplen Drogenfall gestoßen.
    Nachdem er mit dem Jugendgericht fertig war, wandte Carella sich an Roberto.
    »Na, Maresciallo Marías, bist du endlich wieder nach Hause gekommen?«
    Roberto zuckte die Achseln und lächelte verlegen. Carella lächelte ebenfalls.
    »Willst du die Unterlagen abzeichnen? Wir finden schon einen guten Grund, deine Anwesenheit hier zu rechtfertigen, wir lassen uns etwas einfallen. Vielleicht ist das ein gutes Omen, und du kommst, wenn du wieder im Dienst bist, zu unserer Einheit.«
    »Ach nein, ersparen wir uns lieber eventuelle Komplikationen. Ich gehe jetzt. Wir können ja später telefonieren, dann erzählst du mir, wie es ausgegangen ist.«
    Carella bestand nicht darauf.
    »Gut, dann rufe ich dich an, wenn wir fertig sind.«
    * * *
    Als Carella schließlich anrief, spät abends, klang seine Stimme müde.
    »Wir sind gerade erst fertig geworden. Das nächste Mal, wenn dir so etwas passiert, ruf bitte die Kommunalpolizei.«
    Dann erzählte er, wie es weitergegangen war. Der Richter vom Jugendamt war zum Glück ein sehr aufgeweckter Kerl, der gleich eine Hausdurchsuchung bei den Jungs angeordnet hatte. Das Ergebnis war zu erwarten gewesen: Pornovideos und -fotos, Haschisch, eine Menge Geld, ein richtiggehendes, wenn auch stümperhaftes Buchhaltungssystem mit den Namen der Kunden – alle zwischen dreizehn und sechzehn –, den eingegangenen Beträgen, den erbrachten Leistungen. Die drei Jungs waren noch an demselben Nachmittag verhört worden und hatten alles gestanden, oder zumindest so viel, dass es reichte, um die Vorgehensweise der Bande zu rekonstruieren und ihre Mitglieder zu identifizieren. Sie sprachen die Mädchen in Diskotheken oder auf Partys an und hatten dann Sex mit ihnen – manchmal mit, manchmal ohne ihr Einverständnis. Diese Begegnungen wurden gefilmt und die Aufnahmen dazu verwendet, sie zu erpressen und zur Prostitution zu zwingen.
    »Wie geht es dem Mädchen?«
    »Den Umständen entsprechend. Die Eltern werden sie in eine andere Schule schicken, das ist sicher, aber es wird einige Zeit dauern, bis sie das Ganze überwunden hat. Wir haben einige Videos gefunden, bei denen einem regelrecht übel wurde.«
    »Geh jetzt schlafen, deine Stimme klingt furchtbar.«
    »Ich geh ja schon. Ach, und es gibt natürlich keinerlei Spuren von dir in den Protokollen. Du bist nie in dieser Wohnung gewesen.«

31
    Die Haustür ging gleich auf, und als Roberto oben ankam, wartete Emma schon in der Diele auf ihn. Ein Tag war inzwischen vergangen.
    »Komm rein. Giacomo ist noch bei seinen Großeltern«, sagte sie mit einem Ausdruck, in dem Unruhe und Bewunderung mitschwangen. »Willst du einen Kaffee?«
    Sie tranken den Kaffee in der Küche, und Roberto erzählte ihr alles, was er am Telefon nur angedeutet hatte. Als er fertig war, stand Emma auf, öffnete das Fenster, holte einen Aschenbecher und bat ihn um eine Zigarette. Roberto gab sie ihr und steckte sich auch eine an. Er tat es langsam, so als wolle er sich den Ablauf bewusst machen und gut einprägen.
    »Ich glaube, morgen höre ich mit dem Rauchen auf.«
    Emma sah ihn an, als habe sie ihn nicht gehört.
    »Woher wusste Giacomo, was da vor sich ging?«
    Roberto drückte die Zigarette aus, indem er sie zerquetschte, und setzte sich aufrecht hin.
    »Wie meinst du das?«
    »Woher wusste er es? Sag mir bitte, dass Giacomo nichts mit der Sache zu tun hat.«
    Roberto sah sie verwundert an. Er hatte nicht gleich
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