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In den W?ldern tiefer Nacht

In den W?ldern tiefer Nacht

Titel: In den W?ldern tiefer Nacht
Autoren: Amelia Atwater-Rhodes
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gar nicht. Ich trank«, antwortet er und windet sich ein wenig. »Und dann lag ich plötzlich mit einem gebrochenen Arm auf dem Boden. Aubrey stieß mich von dem Hexer weg, als wäre ich eine Puppe. Die beiden fingen an zu streiten, und er warf den Hexer hinaus. Aber auf dem Weg nach draußen gab er mir noch dies hier.« Er hielt ein zusammengefaltetes Stück Papier in die Luft. »Er meinte, ich solle es einem Schützling von Ather geben.«
      Er fügt hinzu: »Ather hat nicht zufällig einen Schützling namens Rachel?«
      »Was?« frage ich keuchend. Ich bin die einzige von Athers Schützlingen, die jemals diesen Namen trug, und nur Ather und Aubrey kennen ihn.
      »Er sagte: ›Gib das Rachel, Athers Schützlinge.‹«
      Ich will das Papier nicht annehmen. Ich will auf einmal auch gar nicht mehr wissen, was daraufsteht. Rachel war menschlich, schwach, ein Opfer. Aubrey allein darf mich so nennen. Außer Ather kennt nur er all die Erinnerungen, die damit verbunden sind, und nur er würde versuchen, mich damit zu verletzen.
      ›Ich bin nicht Rachel, und ich kann nie wieder Rachel sein‹, denke ich. ›Rachel ist tot.‹
      Ich verlasse das Ambrosia ohne ein weiteres Wort. Ich bin so wütend, daß sich alles um mich herum dreht. Ich bin Aubrey seit meinem Tod nur zweimal begegnet, und beide Male sind schon sehr lange her. Bis vor kurzem habe ich ihn gemieden wie schlechtes Blut.
      Als ich im Morgengrauen zu meinem Haus zurückkehre, steht einer von Aubreys Dienern in meinem Garten. Dies hier ist meine Stadt, und ich toleriere keine anderen Vampire – und auch nicht deren Diener – in meinem Garten. Das gilt ganz besonders für Aubrey, denn er würde alles an sich reißen, was mir gehört, wenn ich es zuließe.
      Ich nehme keinen halben Meter vor dem Eindringling meine menschliche Gestalt an und drücke ihn gegen die Häuserwand.
      »Was willst du?« frage ich scharf.
      »Aubrey hat mich...«
      Ich habe keine Geduld und suche in seinen Gedanken nach den Informationen, die ich haben will. Aubrey hat ihn geschickt, um mich noch einmal zu warnen. Wenn Aubrey selbst gekommen wäre, hätten wir gekämpft, und obwohl ich weiß, daß er keine Angst hat, mich herauszufordern, kann ich mir einen neuen Kampf zwischen uns nicht vorstellen, ohne daß einer von uns beiden stirbt.
      »Richte ihm aus, daß ich jage, wo es mir gefällt«, sage ich zu dem Menschen.
      »Und ich werde jeden weiteren Diener töten, der mir zu nahe kommt.« Es ist sehr gefährlich, einem anderen Vampir eine solche Nachricht zu schicken. Was ich gesagt habe, kommt einer Herausforderung, die ich eigentlich vermeiden will, schon sehr nahe – aber so sei es. Wenn ich muß, werde ich heute nacht mit Aubrey auf dünnem Eis tanzen. Es ist mir egal, ob ich diejenige sein werde, die durch das Eis fällt, wenn es bricht.
      Ich lasse den Menschen in der Tür stehen und gehe auf mein Zimmer.
     
 
     

8
 
     
    1701
     
     
 
      Ich fühlte, wie ich starb. Ich erinnerte mich, daß ich hoffte, wieder aufzuwachen, daß ich irgendwie weiterleben würde, aber dann begriff ich, was das bedeuten würde.
      Ich war tot.
      Ich warf mich in die Schatten des Todes und verlor mich darin.
     
      Meine Sinne und mein Gedächtnis kamen nur langsam zurück, als ich erwachte. Ich erinnerte mich an einen Todesfall, und ich erinnerte mich, daß ich die Tote gewesen war, aber ich konnte mich nicht erinnern, wer dieses »Ich« war.
      Als ich meine Augen öffnen wollte, sah ich nichts als Schwärze. Ich dachte, ich sei blind, und das entsetzte mich. War dies der Tod? Für immer in der Dunkelheit zu schweben, ohne sich auch nur erinnern zu können, wer man einmal gewesen ist?
      Bei diesem Gedanken wurde mir klar, daß ich gar nicht schwebte. Nein – ich   spürte einen Holzboden unter den Füßen, und ich lehnte gegen eine Wand, die kalt und glatt wie Glas war. Ich tastete blindlings um mich herum, konnte aber sonst nichts entdecken. Hinter mir war die Glaswand und vor mir nur Schwärze.
      Ich zwang mich aufzustehen. Obwohl alle meine Muskeln steif geworden waren, konnte ich schon bald stehen.
      Ich suchte nach einem Puls und fand nichts. Ich versuchte zu schreien und stellte fest, daß ich keine Luft dafür in meinen Lungen hatte. Kein Herzschlag. Kein Atem. Ich bekam es wieder mit der Angst zu tun. Ich war tot oder etwa nicht?
      Wenn nicht, was war ich dann?
      Menschen atmen, solange sie leben, selbst wenn sie schlafen oder sich ihres
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