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In den finsteren Wäldern (German Edition)

In den finsteren Wäldern (German Edition)

Titel: In den finsteren Wäldern (German Edition)
Autoren: Richard Laymon
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zurück!«
    »Was ist das?«, fragte Neala.
    »Fahr endlich!«
    Neala fuhr rückwärts, allerdings langsam, gerade schnell genug, um Abstand zu der sich nähernden Kreatur zu halten. Sie konnte den Blick nicht von deren aufgedunsenem Gesicht abwenden.
    »Überfahr es!«, herrschte Sherri sie an.
    Neala schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich glaube, es ist ein Mann.«
    »Wen interessiert’s? Um Himmels willen, überfahr es und lass uns verschwinden!«
    Das Geschöpf richtete sich auf und balancierte auf seinem Rumpf, um die Arme freizubekommen. Es starrte Neala anzüglich an.
    »O Gott«, stieß Sherri hervor.
    Es fingerte an einer Öffnung seiner pelzigen Weste. Eine Tasche? Dann zog es eine abgetrennte menschliche Hand daraus hervor, küsste deren Handfläche und warf sie. Die Hand flog auf Neala zu. Sie duckte den Kopf, spürte sie in ihrem Haar und schlug sie weg. Die Hand fiel in die Lücke zwischen den Schalensitzen.
    Das beinlose Wesen schleppte sich von der Straße und verschwand im Wald.
    Neala blickte auf die Hand hinab, auf die gekrümmten Finger, die korallenrot lackierten Nägel, den weißen Hautstreifen, wo sich mal ein Ehering befunden hatte. Sie beugte sich seitwärts über die Tür und übergab sich auf den Asphalt. Anschließend drehte sie sich ihrer Freundin zu.
    »Wir müssen sie loswerden«, sagte Sherri.
    »Ich ...«
    Sherri knurrte, als wäre sie wütend, ergriff die Hand an den Fingern und schleuderte sie aus dem Auto. »Gott!« Angewidert wischte sie sich ihre eigene Hand an den Shorts ab.
    Neala raste los.
    Während sie fuhr, lief der Zwischenfall in ihrem Geist immer und immer wieder ab. Sie verspürte den Drang, einen Sinn darin zu erkennen, aber egal, wie sehr sie sich konzentrierte, es ergab sich kein Muster, das sie akzeptieren konnte. Die Szene gehörte in einen Albtraum, nicht auf eine friedliche Straße auf dem Weg nach Yosemite.
    Sie war froh, als sie eine Ortschaft auftauchen sah – keine besonders große, das war klar. Hier oben in dieser Gegend gab es keine großen.
    »Vielleicht haben sie hier eine Polizeistation.«
    »Du hast doch nicht etwa vor, anzuhalten!«
    »Wir sollten es jemandem sagen.«
    »Sag es Pater Higgins, um Himmels willen. Heb’s dir für die Beichte auf. Herrgott, lass uns einfach abhauen.«
    »Wir können es nicht einfach vergessen.«
    »Es vergessen? Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich vor mir dieses widerliche, aufgedunsene ...« Sherri schüttelte jäh den Kopf, als wolle sie das Bild abschütteln. »Verdammt, das werde ich nie vergessen. Aber wir müssen deswegen nicht rumlaufen und eine große Sache daraus machen, okay? Wir behalten es einfach für uns. Weißt du, was passiert ist, ist passiert.«
    Die Hälfte der Ortschaft hatten sie bereits hinter sich gelassen. Vor ihnen sah Neala einen Laden für Angelköder, Terk’s Diner und das Sunshine Motor Inn.
    »Warum halten wir nicht bei dem Imbiss?«, schlug Neala vor.
    »Warum lassen wir es nicht?«
    »Komm schon, es ist fast sieben. Wir könnten beide ein Abendessen vertragen.«
    »Du meinst, du kannst nach dieser Geschichte noch essen?«
    »Ich kann es zumindest versuchen. Auf jeden Fall möchte ich aus dem Auto und mich entspannen. Darüber nachdenken. Darüber reden. Außerdem haben wir keine Ahnung, wann wir das nächste Mal an einem Restaurant vorbeikommen.«
    »Du nennst das ein Restaurant?«
    »He, das ist genau der richtige Laden für dich. Wahrscheinlich verdreckt, mit schmutzigen Löffeln und zwielichtigen Gestalten.«
    Sherri brachte ein Lächeln zustande. »Na schön. Aber das mit dem Freak behalten wir für uns.«
    Neala bog auf den Schotterparkplatz ein und stellte den Motor ab. Sie schlossen das Verdeck, kurbelten die Fenster hoch und verriegelten die Türen. Bevor sie sich in Bewegung setzten, streckte sich Neala. Von dem langen Tag im Auto fühlte sie sich völlig steif. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte die Schultern zurück und spürte wohlig, wie sich ihre Muskeln anspannten. Die Bewegung straffte ihre Bluse über ihren Brüsten. Es gefiel ihr, wie sich der Stoff an ihren Nippeln anfühlte. Dabei musste sie dran denken, wie lange es zurücklag, seit sie zuletzt die leidenschaftliche Berührung der Finger oder Zunge eines Mannes an ihren Brüsten gespürt hatte.
    Vielleicht würde sie in Yosemite Glück haben.
    Und einen rauen Gebirgskerl kennenlernen.
    Und für Sherri auch einen. Ich bin ja nicht selbstsüchtig.
    »Ich fühle mich fast schon
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