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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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imstande ist, sich auch der schwierigsten Aufgaben mit Bravour zu entledigen. Können Sie am 1. Juni, also in zehn Tagen, den Flug nach China antreten?«
    Mrs. Pollifax lächelte. »Einmal haben Sie mir erst eine Stunde vorher Nachricht gegeben, wissen Sie das nicht mehr? Natürlich kann ich in zehn Tagen fliegen.«
    »Wie steht es übrigens mit Cyrus Reed?« warf Carstairs ein.
    »Wie ich höre, ist er sehr von Ihnen angetan, und Sie verbringen viel Zeit miteinander. Wird er nicht dagegen sein, daß Sie wieder einen Auftrag für uns übernehmen?«
    »Cyrus ist in Afrika und kommt erst am 6. Juni zurück«, erwiderte sie, nachdem sie Kommentar und Frage säuberlich getrennt hatte. »Er ist vorige Woche hingeflogen, um seine Tochter zu besuchen. Die Tochter, die im Sommer letzten Jahres mit uns auf Safari war und dort einen Arzt kennengelernt hat, mit dem sie jetzt verheiratet ist.«
    Carstairs und Bishop nickten. Die Frage war ja nur aus Höflichkeit gestellt worden. Sie wußten natürlich beide, daß Cyrus außer Landes war und gar keine Einwände erheben konnte.
    »Was bereitet ihnen denn solches Kopfzerbrechen?« erkundigte sich Mrs. Pollifax.
    »Kommen wir also zur Sache«, sagte Carstairs. »Ich werde Sie jetzt mit den Einzelheiten vertraut machen.« Er stand auf, ging zur gegenüberliegenden Wand und zog eine große Landkarte der Volksrepublik China herunter. »Es ist, wie gesagt, fast ebenso unmöglich, einen Agenten in dieses Land zu schmuggeln«, erklärte er freundlich, »wie jemanden herauszuschleusen. Erschwerend kommt noch hinzu, daß sich der Mann, an dem wir
    interessiert sind - nennen wir ihn vorerst einmal X - in einem sehr abgelegenen Gebiet aufhält. Noch dazu«, meinte er beiläufig, »in einem Arbeitslager.«
    »In einem Arbeitslager!« entfuhr es Mrs. Pollifax.
    »Ja, die Lagerinsassen verrichten Zwangsarbeit und befinden sich dennoch in einer Art Besserungsanstalt. Das Lager liegt ungefähr hier.« Mit einem Stift zog er einen Kreis um ein erschreckend großes Gebiet im Nordwesten des Landes, das auf der Karte gelbbraun
    eingezeichnet war. Das ließ auf eine Wüste oder ähnliche unwirtliche Vegetationsformen schließen. Das eingezirkelte Gebiet wies kaum Ortsnamen auf.
    »Das ist aber ein ziemlich großes Gebiet!« rief Mrs. Pollifax eingeschüchtert aus. »Wissen Sie denn nicht genauer, wo das Arbeitslager liegt?«
    »Nein, wir wissen leider nichts Genaueres«, bestätigte Carstairs. »Wir hoffen, daß Sie von dem Mann, mit dem Sie sich in Xian in Verbindung setzen sollen, mehr darüber erfahren; denn er hat mehrere Jahre in diesem Arbeitslager verbracht. Er heißt übrigens Guo Musu. Er ist Buddhist. Den Buddhisten ist während der Kulturrevolution nichts erspart geblieben. Eine ganze Reihe der buddhistischen Tempel und Klöster ist säkularisiert oder dem Erdboden gleichgemacht worden. Viele Mönche hat man in Arbeitslager gesteckt, wo ihnen Maos Lehre gründlich eingetrichtert wurde. So erfuhren sie, zum Beispiel, daß man sich das wahre Wissen nicht aus Büchern aneignen kann, und wie heldenhaft es ist, sich seinem Vaterland -
    und natürlich Mao - ganz und gar zu überantworten. Da der Mann all das durchgemacht hat, hoffen wir, daß er ein Einsehen haben und Ihnen verraten wird, wo sich das Lager befindet.«
    »Er hat inzwischen umgesattelt und ist jetzt Friseur«, warf Bishop ein.
    Carstairs nickte. »Ja, in Xian. Und er spricht immerhin gut genug englisch, um sich verständigen zu können«, erläuterte er.
    »Das haben wir von seinem Bruder erfahren, der aus China nach Hongkong geflohen ist, wo Flüchtlinge vom Festland fast immer verhört werden. Es ist das richtige Lager:
    Forstwirtschaftliches Lager Ching Ho; das bedeutet Klarer Fluß. Man neigt dort dazu, den Lagern und Gefängnissen wunderschöne Namen zu geben«, meinte er trocken. »Es ist also Ihre Aufgabe, sich mit Guo Musu in Verbindung zu setzen.«
    »Verstehe«, sagte Mrs. Pollifax. Sie war wie betäubt. »Wenn ich aber Mr. Guo in Xian nicht finde oder er sich weigert, sich darüber auszulassen, wo das Lager sich befindet?«
    »Eine solche Möglichkeit fassen wir hier erst gar nicht ins Auge«, erklärte Carstairs mit fester Stimme. »Dieser Mr. X muß aufgespürt und außer Landes geschafft werden, bevor die Russen seiner habhaft werden.«
    »Die Russen!« rief Mrs. Pollifax erschrocken aus.
    »Ja.« Carstairs lehnte sich an seinen Schreibtisch. »Einer unserer Agenten, der für die Sowjets tätig ist -
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