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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft
Autoren: Bernard Glemser
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nennt. Wir hatten Biologie und Sozialwissenschaft und Sozialhygiene gehört, hatten Freud und Jung und Adler gelesen. Wir wußten, worauf es ankam. Die Männer waren wundervoll, wirklich, aber wenn man die rosa gefärbte Brille abnahm, waren sie Elefanten in Porzellanläden, übermuskulös und übererregbar. Liebe war auch wundervoll, aber in unseren hellen kleinen Köpfen wußten wir, daß sie in Wirklichkeit eine biologische Halluzination war. Sex war (aller Wahrscheinlichkeit nach) etwas Köstliches, doch hatte man längst festgestellt, daß er in Wirklichkeit eine ziemlich schmutzige Erfindung der Natur war, mit deren Hilfe sie überallhin Chromosome verstreute. Wir waren durchaus bereit, der Natur zu folgen — warum nicht? —, aber ebenso war uns deutlich klar, worauf die Natur es mit all ihren gerissenen Tricks abgesehen hatte. Wir kannten die Zusammenhänge und waren unter unserem mädchenhaften Äußeren sehr weltklug.
    Jetzt aber saß ich hier in einem Londoner Garten neben einem Fremden; in wenigen Augenblicken waren mir die Knie weich geworden, und ich hatte die letzte Wahrheit erkannt: Frauen sind zur Niederlage verurteilt; nie werden sie wirklich klug; immer sind sie verwundbar. Mir war zumute, als ob die Sterne wie Regen um mich herum fielen; Ariadnes Krone saß auf meinem Kopf; ich hatte eine Gänsehaut; auf meinem Rückgrat schienen Pinguine mit eiskalten Füßen hin und her zu marschieren; und ich hätte weinen mögen.
    »Sie zittern«, sagte er. »Wollen Sie jetzt hineingehen?«
    »Mir ist nicht ein bißchen kalt.«
    »Wenn Sie irgendeine andere Frau wären, würde ich Sie in meine Arme nehmen und Sie wärmen«, sagte er. »Aber Sie sind Katherine Savage, und ich muß sehr vorsichtig mit Ihnen umgehen. Ungeheuer vorsichtig!«
    Ich schauerte wieder zusammen.
    Er sagte: »Aber Ihnen ist kalt!«
    »Nein. Ich dachte nur darüber nach, was es an Katherine Savage so Besonderes gibt. Weshalb Sie so… so... so ungeheuer vorsichtig mit ihr umgehen müssen.«
    »Wie kann ich Ihnen das erklären«, sagte er, »wenn Sie Ihr Gesicht von mir abwenden?«
    Ich wandte ihm mein Gesicht zu.
    »Das ist besser, viel besser. Scheint der Mond heute nacht?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ihr Haar glänzt, Ihre Augen glänzen; ich sehe die Feuchtigkeit auf Ihren Lippen und den Glanz der Haut an Ihrem Hals. Woher kommt das Licht? Der Mond muß scheinen!«
    Vorübergehend kam ich mir wie eine neue Art Leuchtkäfer vor, ein flügelloses Weibchen, das leuchtend und erwartungsvoll im Dunkel sitzt. Nichts darüber war in Biologie I und II gelehrt worden, aber es schien mir ganz natürlich zu sein, daß man unter solchen Umständen eine gewisse Menge Licht ausstrahlt. Das Gefühl war angenehm.
    Ich sagte: »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    »Ah. Welche Frage?«
    »Weshalb Sie so ungeheuer vorsichtig mit Katherine Savage umgehen müssen.«
    »Weil ich im Begriff bin, mich in sie zu verlieben.«
    »Bitte!«
    Er lachte. »Bitte ja oder bitte nein?«
    »Bitte, seien Sie nicht abgeschmackt!«
    »Ist es wirklich abgeschmackt?«
    Ich glühte jetzt, und mein Puls schlug rasend schnell, aber ich zwang mich zu damenhafter Haltung. »Natürlich ist es abgeschmackt. Sie kennen mich kaum länger als wenige Minuten.«
    »Das ist wahr«, sagte er, und mein Herz krampfte sich zusammen.
    »Also...«, sagte ich. Den nächsten Zug mußte er tun, und ich flehte, daß er dazu imstande sein möge.
    »Miß Savage«, sagte er, »eigentlich sollte ich heute abend nicht hier sein. Ich habe zugesagt, das Wochenende in Julia Hartsdales Haus in Suffolk zu verbringen, und dann soll ich nach Norwegen zur Elchjagd fliegen. Das habe ich Jane alles erklärt, als sie mich vor ein paar Tagen zu dieser Party einlud. Aber heute beim Lunch traf ich zufällig den Botschafter, und er drängte mich, wenigstens kurz hier hereinzusehen. Er sagte, ich müßte unbedingt diese drei kalifornischen Mädchen kennenlernen, für die Jane die Party gibt. Aus irgendeinem Grunde ist er auf die Idee gekommen, ich müsse heiraten, mich häuslich niederlassen, Kinder in die Welt setzen und meine Söhne nach Princeton schicken. Zwei der Mädchen, sagte er, seien schön und reich — er kennt ihre Familien gut. Das dritte Mädchen kannte er nicht; es sei, meinte er, ein ziemlich attraktiver Blaustrumpf.«
    »Oh!«
    »Um ihm den Gefallen zu tun, habe, ich wirklich auf ein paar Minuten hier hereingesehen. Es konnte nichts schaden und würde Jane Freude machen. Ich habe sie sehr
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