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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft
Autoren: Bernard Glemser
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bedeutungsvoll. Wenn er auch zu mir charmant gewesen wäre oder mir zugezwinkert hätte — ich hätte ihn, glaube ich, schlagen können. Aber nie unterlief ihm ein solcher Irrtum.
    Jane sagte: »Später wird Mr. Poole uns hoffentlich auf dem Flügel etwas Vorspielen. Nicht wahr, Biddeford?«
    Er lächelte.
    »Mr. Poole spielt himmlisch«, erklärte Jane. »Einfach himmlisch!« Dann sagte sie: »Biddeford, tanzen Sie bitte mit den Mädchen! Es ist ihre Party.«
    Und er antwortete mit hellem Lächeln: »Ich bin wild darauf, aber leider wird meine Tanzerei mit dem schlimmen Bein nicht viel taugen.«
    »Oh, Mr. Poole!« rief Marva. »Sie haben sich das Bein verletzt?«
    »Nicht der Rede wert, wirklich nicht. Wollen wir diesen Foxtrott versuchen?«
    Tatsächlich — er hinkte ein bißchen, als er sie zur Tanzfläche führte. Ich beobachtete es ängstlich. Ein oder zwei Male zuckte er zusammen, lachte dann aber. Der arme Mann. Er war tapfer. Wie konnte Marva ihn so ausnutzen und zum Tanzen zwingen, wenn er offensichtlich Schmerzen litt?! Wie konnte sie so selbstsüchtig sein?! Doch trotz seiner Behinderung tanzte er — ich wußte es vorher — mit außergewöhnlicher Grazie, und Marva schmiegte sich an ihn wie ein mutterloses Küken. Ein widerlicher Anblick!
    Es war zu Ende. Er brachte Marva zurück und hinkte mit Adrienne davon.
    »Liebes, er ist himmlisch!« sagte Marva.
    Ich war aufgebracht und antwortete nicht; ich wollte nichts von ihrem Erlebnis mit Mr. Poole wissen. Und dann — ohne zu wissen, weshalb — ging ich plötzlich davon.
    »Kate! Kate! Wohin gehst du?«
    »Es ist so schwül hier drinnen.«
    »Aber du bist jetzt dran, mit ihm zu tanzen---«
    Hinter dem Haus lag ein entzückender Garten. Ein paar Minuten lang stolperte ich in der Dunkelheit umher und genoß die Stille; schließlich setzte ich mich auf eine Bank und starrte zum Himmel hinauf.
    Die Luft war warm; die Rosen dufteten entsetzlich stark, und nach einer Weile kam Biddeford Poole, stand vor mir und sagte: »Hallo!«
    »Hallo!«
    »Störe ich Sie?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Ich habe gehofft, mit Ihnen tanzen zu können, Miß Savage.«
    »Sie haben ein schlimmes Bein. Und außerdem sollen Sie nachher Klavier spielen.«
    »Da ich ein schlimmes Bein habe, würden Sie wohl nichts dagegen einwenden, wenn ich mich setze?«
    Ich rückte ein bißchen, und er setzte sich neben mich.
    Nach ein paar Augenblicken sagte er: »Ich kenne einen ähnlichen Garten in der Auvergne. Die Luft ist frischer, und die Rosen duften sinnlicher, und ein Bach fließt hindurch, ein Forellenbach, und nachts kann man hören, wie die Forellen mit ihren Schwanzflossen das Wasser schlagen. Das Haus ist aus Felssteinen gebaut, und innen empfindet man ständig einen unaussprechlich zarten Duft, als ob Hunderte von Jahren lang Thymian und Lavendel darin gelagert hätten. Es gehört einem guten Freund von mir, Louis Montclair, einem wundervollen Dichter und Mann von übermenschlicher Kraft, und ich wünschte, Sie würden ihn eines Tages kennenlernen. Sie würden ihn gernhaben, glaube ich, und er würde Sie gernhaben, weil er nur für die Schönheit lebt und die Schönheit besingt.«
    »Oh!«
    »Und einen anderen Garten kenne ich, den ich im vorigen Jahr zufällig entdeckt habe, in Spanien, einige Meilen von Córdoba entfernt, in dem Zypressen am Grabe einer maurischen Prinzessin wachsen. Sie war ein Kind von dreizehn Jahren, als sie sich das Leben nahm, weil ihr Geliebter sie verließ.«
    »Oh!«
    »Aber der bezauberndste aller Gärten liegt auf der Insel Naxos, auf der Dionysos Ariadne fand, als Theseus sie verlassen hatte. Natürlich kennen Sie die Sage. Einige meinen — auch Homer — die Göttin Artemis habe Ariadne getötet, aber das ist nicht wahr. Der junge Gott Dionysos hat sie geheiratet, und die Krone, die er ihr zur Hochzeit schenkte, hat er später als Stern an den Himmel gesetzt; man kann sie heute noch sehen. Und wenn man in diesem Garten sitzt, kann man Ariadne weinen und Dionysos sie trösten hören und ist in dem goldnen Zeitalter, in dem die Götter noch auf Erden wandelten und ihre Herzen an die Töchter von Sterblichen verloren.«
    Es war toll, wirklich toll, dieses leise Murmeln in einem Garten über Gärten, und ich mache mir keine Vorwürfe—und würde mir nie welche machen! —, weil ich darauf hereingefallen bin. Niemals hatte ich etwas Ähnliches erlebt. Da war Tod Kiescwcz gewesen, der immer nach Massage-Spiritus roch und über nichts anderes als
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