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In angenehmer Gesellschaft

In angenehmer Gesellschaft

Titel: In angenehmer Gesellschaft
Autoren: Bernard Glemser
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Es kam mir verdächtig vor — er war zu lustig, zu munter, und ich hätte wissen mögen, was in seinem doppelgewickelten Gehirn vorging. Sicher verließ er sich darauf, daß er eine neue Gelegenheit finden würde, Roger in Jessicas Augen herabzusetzen, und ich machte mir Vorwürfe, weil ich meine Zunge nicht besser im Zaum gehalten hatte. Weshalb mußte ich Jessica einreden, ihn auf die Ranch mitzunehmen? Ein Besuch bei Gump, dem Jadehändler, wäre viel sicherer gewesen. Vormittags zu Gump, nachmittags vielleicht in den Zoo. Pogo würde ihr alles über Elefanten und Tiger und Schnabeltiere erzählt haben und über die seltene Jade, die er in China gesehen hatte, und bei einigem Glück wäre sie mit rasenden Kopfschmerzen wieder nach Hause gekommen. Wie herrlich wäre es gewesen, wenn ich sie für die nächsten beiden Tage hätte ins Bett stecken, das Zimmer verdunkeln, alle Besucher abweisen und ihr dreimal täglich eine Aspirintablette geben können!
    Beim Frühstück schöpfte ich einen Augenblick lang Hoffnung. Jessica sagte plötzlich: »Vater, hast du ehrlich Lust, zu Roger hinauszufahren, oder willst du mir nur einen Gefallen tun?«
    Er antwortete freundlich: »Ich halte es für höchst wichtig, dir einen Gefallen zu tun.«
    »Aber ernsthaft, Vater...«
    »Ernsthaft und ehrlich: ich will unbedingt das Gut meines zukünftigen Schwiegersohns kennenlernen! Ich habe in der Nacht davon geträumt.«
    »Es ist eine Ranch, Vater, kein Gut.«
    Er lächelte ihr zu. »Vielen Dank! Korrigiere mich bitte immer, wenn ich mich falsch ausdrücke.«
    Großer Gott, dachte ich, in derselben spöttischen Art hat er früher beim Frühstück zu mir gesprochen. Wofür hält er Jessica?
    Für seine Tochter—ich mußte es zugeben. Seine rechtmäßige Tochter.
    »Du willst deine Absicht nicht ändern?« fragte sie.
    »Weshalb sollte ich meine Absicht ändern?«
    »Zu Gump zu gehen und dir die Jade ansehen?«
    »Mein Liebling, ein guter Freund von mir besitzt die schönste Jadesammlung der Welt. Ich habe sie mir viele Male ansehen dürfen und fürchte, jede andere Sammlung wäre eine Enttäuschung für mich. — Kate, du hast sicher den lieben alten Koo Fung in Marseille nicht vergessen.«
    »Natürlich nicht! Er hat mir die wundervolle Jade-Orchidee geschenkt. Hast du mir nicht erzählt, er wäre schrecklich verstümmelt im Hafen gefunden worden?«
    Er sah mich überrascht an. »Ich dir erzählt? Es tut mir leid, Kate, aber du mußt dich irren. Ich habe Koo Fung erst vor ein paar Wochen gesehen, als ich nach Tripolis fuhr. Er war bei bester Gesundheit.«
    Ich sagte: »Pogo, du solltest tatsächlich lieber zu Gump gehen.«
    »Kate, gestern haben wir verabredet, daß wir heute zu Gump gehen würden. Heute früh weckt Jessica mich, sehr nett, mit einer Tasse Tee und teilt mir mit, unsere Pläne seien geändert worden, und wir würden auf die Ranch fahren. Nun erzählst du mir, wir sollten doch zu Gump gehen. Was hast du vor? Willst du mich ganz durcheinanderbringen?« Er sah aus dem Fenster. »Nebenbei: es ist ein schöner Tag. Ich kann mir nichts Reizvolleres vorstellen als eine Fahrt über Land.«
    Man kam nicht gegen ihn auf, wenn er sprach, und bald danach fuhr Jessica mit ihm davon.
    Mein Vater kam auf Zehenspitzen die Treppe herunter, als ich im Wohnzimmer den Mimosenbaum untersuchte. Mit tränenüberströmtem Gesicht drehte ich mich zu ihm um und sagte: »Guten Morgen!«
    Er flüsterte: »Guten Morgen!«
    »Was hast du denn?«
    »Psssst! Wir dürfen Biddeford nicht stören!«
    »Hör mit dem Unsinn auf, Vater!«
    »Aber er braucht seinen Schlaf,, Tochter. Er ist diese Nacht furchtbar spät ins Bett gegangen.«
    »Wir sind alle spät ins Bett gegangen.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich habe großen Tumult gehört und wollte nachsehen, was es gäbe. Deshalb bin ich aus dem Bett geklettert, habe mir etwas übergezogen und hatte die Absicht, von meinem Lieblingsplatz aus die Szene zu überblicken...« Er wies nach oben, zum Treppenabsatz. »Aber er war schon besetzt. Du bist schon vor mir dagewesen.«
    »Vater.«
    »Ich habe dich beobachtet«, sagte er. »Noch nie hatte ich bemerkt, daß du dieselben Ohren wie deine Mutter hast.«
    »Vater«, sagte ich wieder.
    »Auch deine Mutter konnte ihre Ohren bewegen und in jede Richtung drehen — wie ein Dobermann. Hat sich etwas Wichtiges hier unten abgespielt?«
    »Jessica und Pogo hatten ein langes Gespräch.«
    »Ah! War es aufregend?«
    »Ich mache mir Sorgen um Jessica, Vater!« sagte
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