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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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Schweiß, Leder und Pferden stinkenden Legionäre unter den leisen Kommandos eines Zenturios in die Riemen. Die Ruderer hielten das Boot gegen die Flut an seinem Platz, denn Vespasians Befehl lautete, dass der Sekretär des Kaisers erst landen dürfe, wenn der General zu dem Urteil gelangte, dass der Landekopf einigermaßen gesichert war.
    Die Verzögerung betrug vielleicht eine halbe Stunde  – so kam es Narcissus, der in der Dunkelheit und der Stille saß, jedenfalls vor. Die Länge einer Stunde hing von der Länge des Tages ab, zwölf Stunden zerteilten das Intervall von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. In den Berichten längst verstorbener karthagischer Forscher hatte er jedoch gelesen, dass der Tag in diesen nördlichen Regionen eine ganz andere Dauer haben konnte als in Rom; im Sommer seien die Tage
länger, im Winter kürzer. Dass selbst die Zeit hier unbeständig war, verstärkte Narcissus’ Gefühl der Unwirklichkeit auf diesem wogenden Meer, im Dunkeln, umgeben von den Grunzlauten nervöser, ängstlicher Soldaten. Er war weit weg von seiner Heimat, gestand er sich ein.
    Allerdings hatte er keineswegs die Absicht, sich vor diesen Männern eine Schwäche anmerken zu lassen. Viele von ihnen waren selbst höchstens halb zivilisierte Barbaren aus Germanien und Gallien und hatten erwartungsgemäß größere abergläubische Angst vor dem Ozean als vor allem, womit ihre entfernten Verwandten an der britannischen Küste sie unter Beschuss nehmen konnten. Und nach den würgenden Lauten und dem Gestank von Erbrochenem zu urteilen, kamen viele von ihnen weitaus schlechter mit der sanften Dünung zurecht als Narcissus, der sich zumindest eines starken Magens rühmen konnte.
    Außerdem tröstete ihn das intensive Gefühl, einen entscheidenden historischen Moment mitzuerleben. Es fand es sogar bedauerlich, dass er auf diese Weise im Dunkeln landen musste, aber seine Anwesenheit an der Spitze der Invasion war nun einmal unumgänglich. Irgendwo da draußen waren die Flaggschiffe, die großen Triremen. Bei Tag boten diese imposanten Gebilde, die sich mit ihren glitzernden Rudern am Horizont abzeichneten, einen wundervollen Anblick, der jeden transozeanischen Barbaren in Angst und Schrecken versetzte; Narcissus wünschte, er könnte sie jetzt sehen.

    Endlich leuchtete am Ufer ein Licht auf; eine Laterne, die hin und her geschwenkt wurde. »Es ist soweit, Leute«, knurrte der Zenturio. »Ehe ihr’s euch verseht, werdet ihr den Fuß auf gutes, trockenes Land setzen. An die Ruder! Eins, zwei. Eins, zwei …«
    Seine rhythmischen Kommandos weckten unangenehme Erinnerungen an das Schiff, auf dem Narcissus an der gallischen Küste entlanggesegelt war; das erbarmungslose Dröhnen der Trommel eines Schlagmanns hatte dafür gesorgt, dass die Rudersklaven auf ihren Bänken im Takt blieben. Narcissus war ein Freigelassener, ein ehemaliger Sklave. In seiner Position hatte er sich an den Umgang mit Sklaven gewöhnen müssen. Aber die große Nähe zu solch extremer Knechtschaft, wo Hunderte von Männern als Bestandteile einer Maschine benutzt wurden, war enervierend gewesen.
    Das flach gehende Landungsboot fuhr knirschend auf Sand, und der Zenturio sprang in knöcheltiefes Wasser. Während ein paar seiner Leute das Boot ruhig hielten, bot der Zenturio dem Sekretär den Arm. So schritt Narcissus ans britannische Ufer, fast ohne sich die Füße nass zu machen.
    Der General war anwesend, um ihn zu empfangen. Narcissus erwartete auch nicht weniger als eine persönliche Begrüßung durch Titus Flavius Vespasianus, den Legaten der zweiten Legion Augusta und Oberbefehlshaber der nächtlichen Operation am Strand –, denn obwohl Narcissus offiziell nur der für die amtliche Korrespondenz zuständige Sekretär des Kaisers war, hatte er das Ohr von Claudius.

    »Sekretär. Willkommen in Britannien. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich dich warten ließ.« Vespasian war ein stämmiger, dunkler Mann von Mitte dreißig. Der Sohn eines asiatischen Bauern hatte eine schroffe Art und einen unvorteilhaften provinziellen Akzent, aber er sah aus, als wäre er in seiner Rüstung zur Welt gekommen. Vespasian führte Narcissus ein kleines Stück den Strand hinauf, weg von der feuchten Uferzone. Zwei von Vespasians Stabsoffizieren folgten ihnen in gebührendem Abstand.
    »Ich nehme an, die Landung ist ohne Gegenwehr erfolgt«, sagte Narcissus.
    »So gut wie. Unsere Täuschungsmanöver haben offenbar gewirkt.« Als die römischen Streitkräfte im
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