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Immer wieder du: Roman (German Edition)

Immer wieder du: Roman (German Edition)

Titel: Immer wieder du: Roman (German Edition)
Autoren: Paige Toon
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durchschaut. Eigentlich bin ich fünfunddreißig.«
    »Echt?« Er zieht eine Augenbraue hoch.
    »Ja. Gefangen im Körper einer Fünfzehnjährigen.« Ich stelle meine halb vertilgte Pizza beiseite, lege die nackten Füße auf den Tisch und ärgere mich, nicht in weiser Voraussicht zur Fußpflege gegangen zu sein, bevor ich ans andere Ende der Welt flog. Joshs Blick wandert über meine Beine bis zu meinen Brüsten und verharrt dort ein paar Sekunden.
    »Glückliche Fünfunddreißigjährige«, murmelt er.
    »Willst du mich verarschen?«, gebe ich bissig zurück.
    Er schnaubt verächtlich. Ich nehme die Füße vom Tisch, schlage die Beine auf dem Sofa unter und verschränke die Arme. Lässig steht er auf.
    »Ich geh heute Abend mit ein paar Kumpels in Stirling aus«, sagt er und kratzt sich am Schulterblatt. Ich erhasche einen Blick auf seinen gebräunten, durchtrainierten Bauch.
    »Viel Spaß.« Ich wende den Blick ab und hoffe inständig, dass er nicht gemerkt hat, wie ich rot werde.
    »Wenn du willst, kannst du mitkommen«, sagt er beiläufig.
    »Nein danke.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin kaputt.«
    »Looser.«
    »Weißt du, wie spät es jetzt in England ist?«, frage ich aufgebracht, und meine Gedanken überschlagen sich bei dem Versuch, den Zeitunterschied auszurechnen.
    »Wie du willst«, lautet seine Antwort. Damit schlurft er aus dem Zimmer.
    Ich brauche ungefähr fünfzehn Sekunden, bis ich weiß, dass es in England halb zehn Uhr morgens ist und ich bis auf mein Nickerchen am frühen Abend im Grunde die ganze Nacht wach war. Ich bin kurz davor, es Josh durch den Flur nachzurufen, merke aber noch rechtzeitig, dass ich mich damit zum Idioten machen würde. Ich stehe auf, nehme die Pizzakartons, schalte den Fernseher aus und gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Draußen hupt ein Auto. Als ich mein Glas mit Wasser aus dem Hahn fülle, taucht Josh im Türrahmen auf.
    »Das würde ich nicht trinken«, sagt er. »Im Kühlschrank steht Regenwasser.«
    Ich schaue auf mein Glas. »Ah, okay.«
    »Die holen mich ab«, sagt er, als die Hupe wieder ertönt.
    »Wer ist es? Crocodile Dundee?«
    Josh findet das nicht lustig. Na ja, ich schon.
    »Bis später.«
    »Nur wenn es sich nicht verhindern lässt!«, rufe ich ihm kindisch nach. Die Haustür schlägt zu.
    Ich kippe das Leitungswasser in den Ausguss und seufze, als mir klar wird, dass ich allein im Haus bin. Ich bediene mich am Wasser aus dem Krug im Kühlschrank und tapse barfuß durch den Flur zu meinem Zimmer. Beim Anblick der grün-braunen Vorhänge und der dazu passenden Tagesdecke auf dem Bett rümpfe ich die Nase. Vielleicht werde ich mein Zimmer doch noch verschönern. Bisher hatte ich beschlossen, es so zu lassen, wie es ist, weil es keinen Zweck hat, es persönlich einzurichten, wenn ich mich hier eh nie zu Hause fühlen werde. Aber wenn ich es mir recht überlege, glaube ich nicht, dass ich es so lassen kann, nicht mal für kurze Zeit. Vielleicht kann ich ja ein paar Poster besorgen oder die Tagesdecke austauschen, wenn ich was Billiges, Fröhliches finde.
    Ich trete ans Fenster und schaue hinaus. Der Blick geht hinauf in die Berge. Zum ersten Mal fällt mir auf dem Gipfel etwas auf, das wie eine Burg aussieht. Seltsam. Ich ziehe die Vorhänge zu.
    Mein Koffer liegt noch neben dem Fenster auf dem Boden. Ich habe nicht lange fürs Auspacken gebraucht; ich durfte nur einen Koffer mitnehmen, worüber Mum und ich uns in England in die Haare bekamen. Ich gehe ins Bad, putze mir die Zähne, dann gehe ich wieder ins Zimmer und ziehe meinen Schlafanzug an, bevor ich den Koffer mit den Füßen unters Bett schiebe, damit er aus dem Weg ist.
    Eine riesengroße Spinne schießt unter dem Bett hervor und huscht unglaublich schnell in Richtung Tür.
    »Iiiiieh!«
    Ich stoße einen markerschütternden Schrei aus und springe aufs Bett. Bibbernd hocke ich auf der Matratze, Angst schnürt mir die Kehle zu, und mir kommt die entsetzliche Erkenntnis, dass ich mit dem Tier in einem Zimmer schlafen muss, falls ich es nicht loswerde. Nervös recke ich den Kopf in die Richtung, in die die Spinne geflohen ist.
    Die haben mehr Angst vor uns als wir vor denen, die haben mehr Angst vor uns als wir vor denen, die haben mehr Angst vor uns als wir vor denen  … Zu Hause hat dieses Mantra immer ganz gut funktioniert, aber die Spinnen hier können tödlich sein.
    Vorsichtig steige ich aus dem Bett und schnappe mir einen herumliegenden Turnschuh, den ich als Waffe benutzen will.
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