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Immer wieder du: Roman (German Edition)

Immer wieder du: Roman (German Edition)

Titel: Immer wieder du: Roman (German Edition)
Autoren: Paige Toon
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zu begrüßen?«, flüstert sie mir zu. Sie wirkt nervös.
    »Nein. Warte hier«, entgegne ich. »Und hör auf, an deinen Fingernägeln zu knabbern!«
    Hastig nimmt sie die Hand aus dem Mund und streicht sich über ihre halblangen blondierten Haare. Kurz empfinde ich ein überwältigendes Mitgefühl, das jedoch gleich wieder verschwindet. Ich lausche, höre, wie sich die Tür öffnet und wieder schließt, murmelnde männliche Stimmen, und dann taucht Josh wieder in der Küche auf, dicht gefolgt von seinem Vater. Mum springt auf und wirft dabei fast ihren Stuhl um. Sie greift nach hinten, um ihn festzuhalten, stößt dabei gegen den Tisch und verschüttet Tee auf die grüne Plastiktischdecke.
    »Verzeihung, ich bin so ungeschickt«, entschuldigt sie sich.
    »Kein Problem«, sagt Michael mit dröhnender Stimme. »Josh, schmeiß ein Geschirrtuch drauf, Junge.« Dann wendet er sich wieder meiner Mum zu. »Cindy«, sagt er warmherzig. »Endlich!«
    »Hallo, Michael«, sagt sie schüchtern. Die beiden gehen ein paar Schritte aufeinander zu und nehmen sich ungeschickt in die Arme. Es wirkt unbeholfen.
    Josh schaut mich an und verdreht die Augen. Ich grinse zurück.
    Mum löst sich von Michael und dreht sich zu mir um. »Das ist Lily.«
    Er kommt zu mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Bleib sitzen, bleib sitzen«, sagt er, obwohl ich überhaupt nicht vorhatte aufzustehen. »Schön, dich kennenzulernen, Lily.«
    Michael ist Anfang vierzig, also ungefähr acht Jahre älter als Mum. Sie war erst neunzehn, als sie mich zur Welt brachte. Mum ist einsfünfundsiebzig groß, und Michael überragt sie nur leicht. Er hat einen stämmigen Körper, verglichen mit ihrer schlanken Figur. Dazu hat er braungraues Haar, ein wettergegerbtes Gesicht und freundliche schokoladenbraune Augen. Michael spricht mit starkem australischem Akzent, seine Stimme ist kräftig, aber nicht erdrückend. Entgegen meiner festen Vorsätze mag ich ihn sofort. Ich frage mich, ob er weiß, worauf er sich eingelassen hat.
    »Wirf den Kessel an, Junge!«, fordert er seinen Sohn auf. »Ich hab den ganzen Morgen noch nichts getrunken.« Josh gehorcht, und Michael hebt einen Stuhl an, damit er nicht über den Boden schrammt, und setzt sich neben mich. »Wie war euer Flug?« Er schaut von Mum zu mir.
    »Ganz gut«, antwortet Mum.
    »Lang«, werfe ich ein. »Und das Essen war eine miese Pampe.«
    »Du Ärmste«, sagt Michael mitfühlend. »Ich dachte, wir könnten zu Mittag grillen. Wenn ihr bis dahin noch wach seid.«
    »Noch Tee?«, fragt Josh Mum und mich pflichtbewusst.
    Meine Mutter schaut in ihren Becher. »Nur wenn es nicht zu viel Umstände macht.«
    »Natürlich nicht!« Michael überschlägt sich förmlich. »Lily?«
    »Nein, danke.«
    Josh kümmert sich um den Tee.
    »Hat mein Junge euch gut versorgt?«, fragt Michael.
    »Ja, sehr gut«, erwidert Mum.
    »Schön.«
    »Dann raus mit der Kohle«, sagt Josh zu seinem Dad und baut sich mit ausgestreckter Hand vor ihm auf.
    »Später, mein Junge, später.« Michael winkt ab.
    »Hat dein Dad dich bestochen, damit du nett zu uns bist?«, frage ich Josh belustigt.
    »Zwanzig Dollar«, bestätigt er grinsend.
    »Ich schätze mal, da hat er dich über den Tisch gezogen«, sage ich.
    »Ich merke schon, die beiden werden uns Ärger machen«, sagt Michael ziemlich müde zu Mum.
    »Hm«, erwidert sie.
    Am Abend führt Michael meine Mum zum Essen aus. Sie kommt in mein Zimmer, um mit mir über den Nachmittag zu sprechen, kaum dass der Wecker sich in mein erschöpftes Bewusstsein geschrillt hat. Meine Augen fühlen sich an, als wäre jemand mit einer Nagelfeile darüber gefahren, aber ich will nicht zu lange im Bett bleiben, damit ich heute Abend auch einschlafen kann.
    »Lily«, sagt sie. »Michael will mich zum Essen einladen.«
    »Und?«
    »Und ich habe mich gefragt, ob das für dich in Ordnung ist.«
    »Wieso fragst du mich? Du bittest mich doch sonst nicht um Erlaubnis.«
    »Stimmt, ich habe nur ein schlechtes Gewissen, weil ich dich an unserem ersten Abend in dem neuen Land allein lasse …«
    »Oh, wir haben Schuldgefühle. Mach dir um mich keine Sorgen, Mum, ich bin es gewohnt, allein zurechtzukommen.« Sie wirkt gekränkt. »Im Ernst«, füge ich kleinlaut hinzu, »geh essen und genieß es. Lern den Typen besser kennen. Er scheint nett zu sein.«
    Sie antwortet mit strahlendem Lächeln: »Ja, nicht wahr?«
    »Ja. Also schikanier ihn nicht so wie all die anderen.« Tut mir leid, aber meine Großzügigkeit
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