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Immer wieder du: Roman (German Edition)

Immer wieder du: Roman (German Edition)

Titel: Immer wieder du: Roman (German Edition)
Autoren: Paige Toon
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anfängt. Mit dunklen Augen schaut es zu mir hoch. »Tut mir leid, ich habe nichts.«
    Es ist fast so groß wie ich, aber ich habe keine Angst mehr. Zaghaft strecke ich eine Hand aus und streichele seinen weichen, pelzigen Hals, und es legt eine dunkle Pfote auf meinen Arm. Entzückt kichere ich in mich hinein.
    »He, wie heißt du?« Mir fällt ein, dass Michael mir von dem Tasmanischen Teufel namens Henry erzählt hat. »Ich glaube, ich nenne dich Roy«, beschließe ich laut. »Roy das Känguru. Und ich kann dich an dem kleinen Schlitz im Ohr erkennen.«
    In dem Augenblick stellt Roy die Ohren auf, und sein Kopf fährt herum Richtung Pforte. Ich folge seinem Blick und sehe eine große Gruppe japanischer Touristen, die aufgeregt die Koppel betreten. Lebhaft machen sie uns Zeichen, die Kameras schussbereit.
    »So viel zum Thema: mit dir im Gras relaxen«, sage ich traurig zu Roy. Er macht kehrt und hoppelt davon.
    Eine Zeitlang schlendere ich ziellos umher, bleibe bei den Pelikanen stehen, eile an beängstigend großen Emus mit langen Hälsen vorbei. Schließlich ziehe ich die Karte zu Rate und merke, dass ich nicht weit entfernt von den Koalas bin. Ich möchte mich nicht wie eine typische Touristin verhalten, aber egal. Allerdings muss ich es vor Mum verheimlichen, sonst glaubt sie am Ende noch, ich wäre brav geworden.
    Nur wenige Leute warten vor mir in der Schlange, um dem berühmtesten australischen Tier möglichst nahezukommen, und ich sitze schließlich auf der langen Holzbank und sehe zu, wie ein rotblonder Mann in beigefarbenen Shorts und einem dunkelgrünen Polohemd einen Koala mit Eukalyptusblättern füttert und sich dabei mit einem Paar von Mitte zwanzig unterhält. Vor mir wartet eine Familie, und die beiden kleinen Schwestern zanken sich, wer den Koala zuerst anfassen darf.
    »Ihr könnt ihn gleichzeitig streicheln«, sagt die Mutter schließlich und verdreht die Augen, als sie mich ansieht. Ich muss grinsen, als ihre Töchter sich ungeduldig durch das Tor schieben, um ihre Plätze neben dem Koala und dem Tierpfleger einzunehmen. Das Haar des älteren Mädchens hat denselben Blondton wie das von Kay. Heiße Tränen steigen mir in die Augen. Rasch wische ich sie ab.
    Ich bin kein Einzelkind. Mein Vater hat zwei weitere Töchter: Kay, vier Jahre alt, und Olivia, die noch kein Jahr alt ist. Olivias erster Geburtstag ist in zwei Wochen, wenige Tage nach meinem. Ich werde ihre Feier verpassen. Im März werde ich Kays Geburtstag verpassen. So vieles wird mir entgehen … Wahrscheinlich werden die beiden ihre große Halbschwester am anderen Ende der Welt total vergessen. Und das neue Baby wird nicht einmal ahnen, dass es mich gibt.
    Lorraine, die Frau meines Vaters, ist im dritten Monat schwanger, was sie mir erst neulich eröffnete, als ich versuchte, ihr Gästezimmer zu erobern. Das war mein letzter verzweifelter Versuch, England nicht verlassen zu müssen, und er schlug fehl.
    »Hallo?«
    Ich schaue auf und sehe, dass der rotblonde Tierpfleger mir zuwinkt. Die Familie ist längst weg.
    »Entschuldigung.« Verlegen springe ich auf.
    »Mit den Gedanken woanders?«, fragt er freundlich, als ich auf ihn zugehe.
    »Ein bisschen.«
    »Bist du Engländerin?«
    »Ja. Hat mich meine leichenblasse Haut verraten?«
    »Der Akzent«, gibt er lächelnd zurück. »Auf Urlaub hier?«
    Ich schüttele den Kopf. »Für länger.« Vermutlich.
    »Also«, sagt er und richtet seine Aufmerksamkeit auf den Koala. »Das ist Cindy.«
    Ich schnaube verächtlich.
    »Was ist?«
    »Tut mir leid, so lustig ist das eigentlich nicht. Cindy ist nur der Name meiner Mutter«, erkläre ich.
    »Oh!« Erkenntnis erhellt sein Gesicht. »Bist du …?«
    »Lily Neverley. Ich wohne bei Michael.«
    »Ah, gut, verstehe! Willkommen in Australien!«
    »Danke. Und bevor Sie fragen, er war lang.«
    »Lang? Ah, der Flug.« Er grinst. »Das hat man dich wohl schon öfter gefragt, was?«
    »Vorhin alle im Aufenthaltsraum.«
    »Also, ich bin Ben.«
    Ich ergreife seine Hand. Er ist vielleicht Ende zwanzig, Anfang dreißig, hat kurzes rotblondes Haar und ist groß, drahtig und braungebrannt, wie man es von einem Australier erwartet, der jeden Tag draußen in der Sonne arbeitet. Ich mag ihn auf Anhieb, genau wie Michael.
    Mit einem Kopfnicken deute ich auf den Koala. »Und das ist Cindy?«
    »Yep. Du kannst sie am Rücken kraulen, wenn du willst.«
    »Die ist ja wirklich weich«, murmele ich. »Hallo«, sage ich zu dem Koala. »Schmecken dir diese schönen
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