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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich
Autoren: Sandra Scoppettone
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Harbaughs
Reaktion »unnatürlich«. Damals rief Mutter mich zu sich und erklärte mir,
sollte ich jemals schwanger werden, dann müsse ich auf jeden Fall zu ihr und
meinem Vater kommen und es ihnen sagen. Ha! Erstens hielt ich es nicht für
besonders wahrscheinlich, daß ich schwanger werden würde, da ich ja keinerlei
Interesse an Sex mit Jungen hatte, und zweitens wären meine Eltern die letzten,
denen ich es sagen würde. Eine Schwangerschaft würde meiner Mutter den
perfekten Vorwand zum Trinken liefern, und mein Vater würde zusammenbrechen und
es zu seiner Tragödie machen, nicht meiner.
    Zum Glück waren meine Eltern nicht so
dumm, mich von Megan trennen zu wollen, und als sie aus dem Krankenhaus kam,
war unsere Freundschaft enger denn je. Dennoch war da immer noch mein
Geheimnis, das in meinen Augen irgendwie zwischen mir und meiner besten
Freundin stand. Aber wie hätte ich es ihr sagen können? Schließlich sprach sie
es in unserem Abschlußjahr selbst an.
    »Laur«, sagte sie eines Tages in ihrem
Zimmer, während sie sich die Fußnägel dunkelviolett lackierte, »du machst es
nicht mit Warren, oder?« Warren war mein damaliger Freund, und Meg war mit Jack
Carroll zusammen, der auf die Villanova ging.
    Ich hatte bemerkt (und war dankbar
dafür), daß sie mich nie bat, ihr intime Details aus meinem Sexleben zu
erzählen, doch ich nahm an, daß es nur daran lag, daß Meg genug mit sich selbst
zu tun hatte — obwohl sie sonst nicht so war. Deshalb machte es mich völlig konfus,
als sie mir diese Frage über Warren stellte. Ich wollte nicht lügen,
befürchtete jedoch, wenn ich die Wahrheit sagte, würde eins zum anderen kommen.
In meinem Abschlußjahr war ich in meine Sportlehrerin verliebt, die, davon war
ich überzeugt, auch in mich verliebt war, doch zwischen uns war nichts
gelaufen. Ich stammelte irgend etwas, und dann wurde Meg direkt.
    »Du magst Jungen eigentlich gar nicht,
oder?« Sie blies eine Lucky Strike-Rauchwolke über meinem Kopf in die Luft.
    »Doch, ich mag sie«, verteidigte ich
mich.
    »Ja, aber nicht, du weißt schon, nicht
so.«
    »Wie ›so‹?« fragte ich, um Zeit zu
gewinnen, und mein Herz schepperte gegen meine Brust wie eine Abrißbirne.
    »Sexuell.« Meg starrte mich an, wartete
auf eine Antwort, das leuchtende Blau ihrer Augen sandte Intelligenz und Liebe
aus.
    Da wußte ich, daß ich dem Problem nicht
länger ausweichen konnte, bekam die Worte jedoch nicht heraus.
    »Du stehst auf Mädchen, stimmt’s?«
    Mir war zumute, als müßte ich sterben.
Ich wollte sterben. Ich betete darum, zu sterben.
    »Es ist in Ordnung«, fuhr sie fort.
»Ich habe deswegen keine Vorurteile gegen dich. Ich versteh’s nicht ganz, ich
meine, warum du es mit einem Mädchen machen willst, wo es so viele nette Jungs
gibt, aber, Mensch, das ist doch dein Bier, Laur, mir soll’s recht sein.«
    »Ja?« Ich war sprachlos.
    »Andere Leute, andere Vorlieben«, sagte
sie.
    »Aber Meg, ich bin ein Freak.«
    »Nein, bist du nicht. Du bist bloß eine
Lesbierin.«
    Das Wort kreiste durchs Zimmer und
durchbohrte mich auf seinem Weg an mehreren Stellen. Lesbierin. Es war
häßlich, erniedrigend und peinlich.
    »Ich hasse dieses Wort«, flüsterte ich
und starrte auf den geblümten Teppich in ihrem Zimmer.
    »Gefällt dir Lesbe besser?«
    »Igitt.« Ich fing an zu weinen.
    »Hey, was soll denn das?« Sie legte
ihren Nagellackpinsel hin, rutschte über die rosa Tagesdecke auf ihrem Bett und
legte die Arme um mich. Wir hatten uns im Laufe der Jahre oft umarmt, aber
jetzt war ich verlegen und steif. Meg entging es nicht, ihr entging nie etwas.
»Ach, Laur, jetzt mach doch nicht dicht mir gegenüber. Ich weiß es schon seit
Jahren, es spielt überhaupt keine Rolle.«
    Schluchzend sagte ich: »Wie meinst du
das, du weißt es schon seit Jahren?«
    »Genau so. Willst du, daß ich sie
aufzähle?«
    »Wen?«
    »Deine Schwärmereien?«
    »Was?«
    »Warte mal«, sagte sie sachlich, »in
der vierten Klasse war es Miss Teare, in der fünften Miss Geisel, dann in der
sechsten war es Nancy Donahue von der High School, die wir freitagabends immer
im Kino sahen. In der siebten waren es Vilma Smith, Joan Brigham und Laine
Beirs. In der achten war es Marilyn...«
    »Stop«, rief ich und kam mir ungeheuer
blöd vor.
    »Na schön. Reg dich ab.«
    »Wie hast du es gemerkt?«
    »Keine Ahnung. Habe ich einfach. Ich
meine, du hast ja auch wirklich viel von ihnen gesprochen, weißt du. Und wenn
du über deine Freunde geredet hast, na ja, dann
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