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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben
Autoren: Rob Alef
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Auftrag, dafür würde er bis zum letzten Atemzug einstehen. Die Möwen kamen näher. Dorfner konnte das Gesicht der Zielperson erkennen, das sah gar nicht gut aus.
Wenn die Schar deiner Feinde unzählig ist, stehen sie sich im Weg
. Das hatte in Dorfners Abreißkalender gestanden. Wie weise der Meister doch war. Der Boden unter seinen Sohlen veränderte sich. Er lief auf trittfester Unterlage. Eine sehr lange Rolle Auslegware lag genau in Dorfners Laufrichtung. Das war Auslegware vom Flughafen, der wieder abgerissen worden war, grau und fest wie eine Startbahn. Dorfner beschleunigte, seine Füße gruben sich in die rutschfeste Unterseite der Auslegware. Dann sprang er los, seinen Kampfschrei auf den Lippen: »STEVEN SEAGULL!!«
    Mit den Beinen voran sprang Dorfner in die Möwen hinein, seine Handkanten trafen zwei Vögel an ihren schwarzen Köpfen. Die Möwen flogen auf, sortierten sich nach einem ausgeklügelten Plan, flogen eine scharfe Kurve und hielten dann auf Dorfner und die Zielperson zu. Kleine kalte Augen, spitze Schnäbel, rasiermesserscharfe Krallen. Dorfner griff sich zwei Radkappen und hielt sie sich über den Kopf. Den ersten Ansturm konnte er damit abwehren, aber dann traf ihn ein Schnabel über der Augenbraue. Zu seinen Füßen machten sich die ersten Möwen schon wieder an der Zielperson zu schaffen.
    Dorfner schlug auf die Möwen ein, aber es waren zu viele.
    Da fiel ein Schuss. Vier Möwen, die im Rüttelflug knapp über Dorfners Kopf auf einen günstigen Moment gewartet hatten, fielen mit blutigem Gefieder zu Boden. Dorfner sprang zur Seite und ließ sich flach in den Müll fallen. Wieder krachte ein Schuss. Dorfner sah auf. Ein Mann mit einer abgesägten Schrotflinte im Anschlag und einem Sicherheitshelm lief langsam auf ihn zu. Die Möwen zogen ab. Dorfner sprang auf und nahm Verteidigungshaltung ein.
    Der Mann hob grüßend die Hand und sagte: »Der beste Showdown seit
Die Todeskralle schlägt wieder zu

    Dorfner hob die gefalteten Hände zur Stirn und verbeugte sich. »Namaste.«
    Dann kam ein Krankenwagen angefahren. Pachulke saß auf dem Beifahrersitz. Der Sanitäter drehte die Zielperson auf den Rücken. Pachulke und Dorfner sahen sich an. Der Mann blutete aus mehreren Wunden im Gesicht, aber er atmete schwach.

39
    Die Möwen kreisten über der Spree, flogen zwischen der Treptower Halde und der Halbinsel Stralau hin und her. Franz Grellert stand vor seinem Bus und spähte mit dem Fernglas an den Augen hinein in den Morgenhimmel. Dieser Polizist hatte erzählt, seine Kollegin hätte auf der Halde einen Raubvogel gesehen, der Saltos in der Luft schlug.
Terathopius ecaudatus
hier in diesen Breiten? Als er im Senegal gewesen war, hatte er viele Gaukler gesehen. Aber hier? Andererseits: Lachmöwen waren ursprünglich Küstenvögel, heute waren sie überall. Sie waren ihrem Futter gefolgt, das im Müll verborgen war. Weil die Halde ständig irgendwelche Gase ausdünstete, war es dort ganzjährig frostfrei. Nicht der schlechteste Platz für einen Vogel, der eigentlich aus Afrika stammte.
    Jetzt hatte Grellert ihn entdeckt, es war ein Paar, sie brüteten, ganz oben in dem Gebirge aus Weißer Ware. Gerade hatte eines der beiden Alttiere Futter in der runden Luke abgeworfen, schon erhob sich der Vogel wieder und flog über das Wasser in Richtung Stralau. Über Grellerts Kopf schlug er einen Salto, dann drehte er ab zur Rummelsburger Bucht. Dort würde er einen Fisch oder einen Wasservogel finden.
    Dann hatten die beiden alten Leute doch recht gehabt, die vor ein paar Tagen mit ihm bis zum Ärztehaus in Neukölln gefahren waren. Er kannte die beiden, sie fuhren einmal in der Woche in die Karl-Marx-Straße. Sie hatte ganz verweinte Augen gehabt, und der Mann hatte Grellert unaufgefordert ihre ganze Geschichte erzählt. Als die Rede auf einen Adler kam, war Grellert kurz davor gewesen, dem Alten eine Lektion in vogel-kundlichem Fachwissen zu erteilen. Aber als sein Blick den der alten Frau kreuzte, ließ er es bleiben.
    Der Polizist mit dem Pferdeschwanz, der Grellert als Zeugen vernommen hatte, war noch einmal da gewesen. Mit einem Feuerwehrauto hatte er das Elsternest durchsucht. Was hatte er gesucht? Eine Kontaktlinse. Das schien wichtig zu sein, wenn sie hier mit der Feuerwehr anrückten. Ob das vermisste Elsterküken im Brutplatz des Gauklers gelandet war? Und ob es die Kontaktlinse verschluckt hatte, als es noch am Leben war? Einen Versuch war es wert. Fiel der Bus 104 eben heute wieder
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