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Immer dieser Knasterbax

Immer dieser Knasterbax

Titel: Immer dieser Knasterbax
Autoren: Werner Schrader
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zog er den Riegel zurück und öffnete es.
Dann sagte er noch einmal: „Kein Wort mehr wirst du hören nun von deine arme
Knasterbax!“ und zwängte sich durch die Öffnung ins Freie. Behutsam entfernte
er sich vom Ziegenstall und verschwand um die Ecke, während Schutzmann
Siebenschütz sich auf langes Warten einrichtete. Die Bäckersfrau brachte ihm
dazu einen ausgetrockneten Butterkuchen heraus, damit er besser durchhielt.
Knasterbax aber stapfte satt und zufrieden durch den Garten, überkletterte
einen Zaun, eine Hecke, eine Mauer und brachte sich so in Sicherheit. Im Wald
begann er zu tanzen und sang, so laut er konnte:
    „ Armes
Schutzmann Siebenschütz,
    ist
sich dumm und ohne Witz.
    Knasterbax
mit großer List
    längst
aus Stall verschwunden ist. “

 
    Schutzmann Siebenschütz saß auf
dem Hauklotz und wartete. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Frau des
Bäckers fütterte ihn dabei mit altem Kuchen, den sie sowieso nicht mehr
verkaufen konnte. Sicherlich hätte der Polizist noch weitere drei Stunden vor
dem Stall zugebracht, wenn nicht der Ziegenbock auch hungrig geworden wäre und
den Weg in den Hof durch das angelehnte Fenster gefunden hätte. Als er das Tier
im Garten herumspringen sah, wurde der Bäckermeister daran erinnert, daß der
Ziegenstall ein rückwärtiges Fenster besaß, das zwar nie geöffnet wurde, aber
groß genug war für einen Notausstieg. Siebenschütz stopfte dem empörten
Ziegenbock rasch den Rest des alten Streuselkuchens, den er in der Hand hielt,
ins Maul, damit er ihn nicht auf die Hörner nahm, und schlich um den Stall
herum. Mit scharfem Polizistenblick stellte er fest, daß der Räuber sein
hölzernes Gefängnis heimlich verlassen hatte.
    „Warte, Knasterbax“, schimpfte
er, „diesmal hast du mich ’reingelegt, aber das nächstemal bin ich der
Klügere.“ Und zur Bäckersfrau gewandt, fuhr er fort: „Ich vermute, daß der
Räuber den Ziegenstall durch das Fenster verlassen hat, wahrscheinlich kurz
nachdem er in den Redestreik getreten war. Dann hat er jetzt einen Vorsprung
von drei Stunden. Wenn ich ganz schnell gehe und ab und zu ein bißchen laufe,
kann ich ihn in fünf Tagen eingeholt haben.“
    „Wollen Sie nicht mein Fahrrad
nehmen?“ fragte die Frau hilfsbereit. „Es ist zwar schon alt und nicht mehr
ganz in Ordnung, aber für den Räuberfang bestimmt noch gut genug.“
    „Gern!“ rief Siebenschütz
erfreut. „Mit einem Tretesel fasse ich den Bösewicht sicherlich schon zwei Tage
früher.“
    Da holte die Frau ein
altmodisches Damenfahrrad aus dem Keller, mit dem ihre Großmutter als Kind oft
in die Stadt gefahren war. Ihr Mann pumpte es auf und blies den Staub vom
Sattel. Der Schutzmann aber schwang sich kühn hinauf und radelte auf dem
quietschenden Vehikel die Straßen entlang, daß die Kaninchen sich die Ohren
zuhielten.
    Er war sicher, daß Knasterbax
sich nur nach Westen gewandt haben konnte, weil es dort in den Wald ging. Wie
ein Sechstagefahrer beugte er sich über den Lenker und fragte sich, warum er
sich nicht schon längst ein Fahrrad angeschafft hätte. Es konnte doch nichts
Angenehmeres geben, als so über die Landstraße zu sausen und alle Räuber vom
Sattel aus zu fangen.
    Immer schneller flog er dahin.
Bald lag das Dorf hinter und der Wald vor ihm. Es war eine herrliche Fahrt! Wenn
nur der Säbel nicht so lang gewesen wäre! Der Weg war schmal und mit tückischen
Baumwurzeln gepflastert, so daß Siebenschütz vorsichtig fahren mußte. Als er
einmal mit nur einer Hand steuerte, weil er die andere brauchte, um den
störrischen Säbel nach hinten zu schieben, kam er im lockeren Flugsand zu Fall
und lernte so, daß ein Sturz vom Fahrrad sehr schmerzhaft sein kann, besonders
wenn man den Erdboden mit der Nase zuerst berührt. Wütend klemmte er den Säbel,
der an seinem Unfall schuld gewesen war, auf den Gepäckträger und saß wieder
auf.
    Nach einer Stunde hatte er den
Wald durchfahren. Vor ihm erstreckten sich Wiesen und Weiden, auf denen viele
Kühe fröhlich mittagaßen. Er stieg ab, weil der Weg sich teilte, und überlegte,
ob der Räuber nach links oder rechts gegangen war.
    „Seine Spuren werden ihn
verraten“, murmelte er, legte das Fahrrad an den Grabenrand und kroch auf allen
vieren in den linken Weg hinein. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er die
festen Abdrücke von Knasterbax’ großen Schuhen entdeckte. Merkwürdigerweise
aber waren die Spitzen dem Wald zugekehrt.
    „Ist denn der Kerl rückwärts
gegangen?“
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