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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Autoren: Brigitte Kanitz
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schwarze Strähnchen. Ihre Kleidung hatte sich von Jeans über weit schwingende Baumwollröcke bis zu bunt gemusterten Batikkleidern gewandelt. Ihr Schmuck, der früher nur aus ihrem schlichten Ehering und den Ohrsteckern von Großtante Marie bestanden hatte, gab nun in Form von Dutzenden silberner Armreifen und Ketten bis zum Bauchnabel bei jeder Bewegung leise klimpernde Töne von sich.
    Trotzdem ähnelten sich meine Eltern so sehr, dass viele Feriengäste Olaf und Heidi Lüttjens anfangs für Geschwister hielten.
    Mein Bruder Jan passte auch wunderbar ins Bild dieser Familie, die bestimmt in direkter Linie von den Wikingern abstammte. Er hatte zumindest reingepasst, bevor er sich – sagen wir mal: rein äußerlich – ein wenig verändert hatte.
    Nur ich war anders.

3.
    Nichts wie weg -- zur Not mit dem Trecker
    »Gut siehst du aus«, sagte Mama, »sehr schick. Aber die Heulerei passt nicht zu dir. Du hast Opa Hermann seit zig Jahren nicht mehr gesehen, also tu nicht so fürchterlich dramatisch.«
    Mama mochte keine rührseligen Szenen. »Wir tragen seinen Tod mit Fassung. Er hätte es nicht anders gewollt.«
    Der Moment im Treppenhaus stand mir wieder vor Augen. »Opa ist in meinen Armen gestorben.«
    »Purer Zufall.«
    Ich schniefte ein bisschen, machte mich von ihr frei und flüchtete wieder zu Papa und seinem Kuhduft. Zu ihm hatte ich früher immer kommen können, mit kleineren und größeren Sorgen. Er war mein Anker, mein Halt in der Familie gewesen. Bei ihm hatte ich mich immer gut aufgehoben gefühlt. Erst als Teenager hatte ich angefangen, ihn langweilig und, na ja, provinziell zu finden. Damals wusste ich schon, dass ich in die große weite Welt gehörte und mit meiner ländlichen Familie in gewisser Weise nichts zu tun hatte.
    »Nu lass die Lütte doch«, mischte sich Papa ein und drückte mich mit seinen schaufelgroßen Händen wieder an sich, was meinem Rücken ein leises Knacken entlockte. Luft entwich pfeifend aus meiner Lunge.
    Ich besaß eben nicht die Konstitution für diese Familie. Klein, schmal, dunkelhaarig, wie ich war, und mit beinahe schwarzen Augen. Eher sizilianisch als norddeutsch. Eher fruchtbare Vulkanerde als sandiger Heideboden.
    »Dem Uropa Franz wie aus dem Gesicht geschnitten«, hatte es früher immer geheißen, und dann war ein sepiabraunes Foto herumgereicht worden. Als Kind suchte ich nach Ähnlichkeiten zwischen dem steifen Mann in der Kavallerieuniform und mir. Ja, es stimmte schon, wir waren uns ähnlich. Ich fragte mich dann, ob dieser Uropa sich bei den Wikingern auch nicht wohl gefühlt hatte und ob er sich zur Kavallerie gemeldet hatte, um wegzukommen. Mir gefiel diese Vorstellung. Wollte ich auch so machen. Und die berittene Polizei in Niedersachsen wäre so was wie die Kavallerie zu Uropa Franzens Zeiten gewesen. Später entwickelte ich dann aber doch einen anderen Berufswunsch.
    Mamas klimpernde Armreifen holten mich in das Hier und Jetzt zurück.
    Leider.
    »Jetzt lass uns mal losfahren. Ich muss heute noch weg. Hast du die Urne, Nele?«
    »Wohin?«, fragte Papa.
    »Ja«, sagte ich. Stimmte ja auch.
    Mama nickte mir zu und ignorierte die Frage ihres Mannes. Ich war im Moment zu sehr mit meinem eigenen Problem beschäftigt, um groß darauf zu achten. Hätte ich gleich gestehen müssen, was mit Opa und der Tupperdose geschehen war? Hätte ich dann das schlimmste Chaos vermeiden können?
    Möglich. Oder auch nicht. Ich habe schon immer gedacht, dass es überhaupt nichts bringt, sich im Nachhinein blöde Fragen zu stellen wie: Hätte ich den Mann meines Lebens getroffen, wenn ich in der Einkaufspassage rechts statt links herum gegangen wäre? Mit Sissi hatte ich das mal ausprobiert. Die eine rechts, die andere links. Wir trafen uns beide als Singles wieder. Hm – hätten wir vielleicht andersrum gehen müssen? Die Frage ließ uns eine Weile nicht mehr los, und wir tigerten bis Ladenschluss durch die Passage.
    Am Ende hatte ich dann dieses ganze Was-wäre-gewesen-wenn?-Getue für krassen Mist erklärt. »Ich hab das nur aus Jux mitgemacht. Glauben tu ich nicht dran.«
    Sissi hatte mir ins hochrote Gesicht gegrinst. »Klar, du würdest nie einen Halbmarathon laufen, nur weil Mr Right vielleicht grad um die andere Ecke biegt.«
    Also gut, ich geb’s zu: In ganz seltenen Fällen stelle ich mir die Was-wäre-gewesen-wenn?-Frage vielleicht doch. Aber seit der Rennerei in der Passage immer seltener. Und an diesem Tag auf dem Bahnsteig in Lüneburg schon gar nicht. Brachte
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