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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Autoren: Brigitte Kanitz
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»Entschuldigung, ist beruflich«, sagte ich und gab mich geschäftstüchtig. Die Rolle des traurigen kleinen Mädchens musste ich jetzt mal ablegen. Brachte eh nichts. Als taffe Karrierefrau bot ich eventuell weniger Angriffsfläche.
    Ich scrollte den Text runter, den mir Sissi geschickt hatte, und biss mir auf die Lippen. Lautes Lachen hätte jetzt nicht gepasst. »Amnesie bezeichnet den wohligen Zustand der geistigen Umnachtung, gilt sowohl für vollständigen als auch teilweisen Ausfall des Gedächtnisses. Der Zustand der Amnesie äußert sich durch handfeste, auch von Laien erkennbare, körperliche Symptome. Zu den häufigsten zählen glasiger Blick, offener Mund, dümmliches Grinsen und Wortstümmel wie Hä?, Was?, Echt?, Kann mich nicht erinnern! Zur Behandlung von Amnesie eignen sich Maßnahmen, die die zerebralen Funktionen anregen. Darunter fallen beliebte, wenn auch umstrittene Heilverfahren. Das berühmteste ist der gemeine Elektroschock. Ein Schlag in die Fresse tut auch Wunder. Amnesie muss nicht immer schlimm sein. Zuweilen hilft sie, neue Bekanntschaften zu schließen. Diese sind jedoch geprägt von Kürze. Eine wahrhaft gigantische Amnesie wird in Fachkreisen als Alzheimer bezeichnet.«
    Wow!
    »Hoffe, ich konnte dir helfen«, schrieb Sissi dazu. »Hab’s auf Uncyclopedia gefunden.«
    »Besten Dank auch«, gab ich ein. »Konnte ich jetzt echt gut gebrauchen. Hab Opa im ICE liegen lassen.«
    »Ach du Sch…«, kam es prompt zurück. »Soll ich mal geistige Umnachtung googeln?«
    »Bloß nicht.«
    »Reg dich nicht auf. Wenn die Polizei kommt, halte ich dicht.«
    Polizei? Es wusste doch noch niemand etwas von meinem Missgeschick.
    »Wo bist du jetzt?«
    »Im Auto auf dem Weg zum Schafott.«
    »Es weiß noch keiner?«
    »Nö.«
    »Ach du Sch…« Sissi fing an, sich zu wiederholen.
    »Ciao«, gab ich ein.
    Als ich den Blick wieder hob, lag in Mamas Blick ein Hauch mehr Respekt als bisher. Der Trick funktionierte also. Klasse. Wenn mir einer in den nächsten paar Stunden dumm kam, würde ich einfach mit Sissi simsen und dabei ein wichtiges Gesicht aufsetzen.
    »Dein Hotel?«, erkundigte sich Papa mit einem gewissen Unterton. Der sollte seine ganze Verachtung für Luxushäuser ausdrücken. Seiner Meinung nach war ein vernünftiger Urlaub nämlich nur auf dem Ferienhof Lüttjens möglich, und zwar unter seiner handfesten und meiner charmanten Leitung.
    Papas Lebensentwurf sah für mich etwas anders aus als mein eigener. Ich hatte ihm mal erklärt, dass ich eher Klofrau bei uns im Kiefers werden wollte, als nach Nordergellersen zurückzukehren, aber er hatte mir offenbar nicht zugehört.
    »Wie kommen die denn jetzt ohne dich klar? Ich denke, du bist unabkömmlich«, fügte er hinzu.
    Das war seit einigen Jahren mein liebstes Argument, wenn ich erklären musste, warum ich weder zu Weihnachten noch zu Opa Hermanns Neunzigstem und schon gar nicht einfach mal nur zum Heideblütenfest kommen konnte. Die Feste waren mir besonders verhasst, seit Karl mich damals für eine blonde, dralle Heideblütenkönigin verlassen hatte. Seitdem kultivierte ich eine ausgeprägte Aversion gegen dralle Blondinen. Sissi war zum Glück schmal und schwarzhaarig, aber erst neulich hatte ich ein blondes Zimmermädchen zusammengefaltet, bloß weil ich einen winzigen Knick im Bettüberwurf gefunden hatte. Eigentlich kein Drama. Das Zimmermädchen wäre auch mit einer kurzen Ermahnung davongekommen, wenn es nicht, in meiner Fantasie jedenfalls, wie eine ehemalige Heideblütenkönigin ausgesehen hätte.
    Pech gehabt.
    »Geht schon«, murmelte ich in Papas Richtung. Sollte ich ihm jetzt erzählen, dass ich möglicherweise nicht mehr lange im Kiefers bleiben würde? Dass mich mein Weg jedoch nicht zu ihm in den Norden, sondern weit, sehr weit nach Süden führen würde? Nach Dubai, um genau zu sein. Dort wartete nämlich der Manager des neu gebauten Fünf-Sterne-Hotels »Al Salam« auf eine qualifizierte Erste Hausdame aus München. Auf mich. War übrigens der Grund für meine kleine Party in der Nacht vor Opas Besuch gewesen. Ich musste den Vertrag nur noch unterschreiben. Dreifaches Gehalt, Penthouse (ein echtes! Riesige Dachterrasse!) mit Blick auf den Persischen Golf, Dienstauto der Luxusklasse, Mitgliedskarte für den exklusivsten Golfclub, na, und noch so einiges mehr. War ja wohl keine Frage, wohin es mich in naher Zukunft ziehen würde.
    »Dann kannst du ja bis zu Opas Beerdigung bleiben«, meinte Papa. »Die ist am
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