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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Autoren: Tom Clancy
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Schützenvereine ansahen denn als wirklich ernst zu nehmende Instrumente der Politik.
    »Die Welt ist also heute Morgen in guter Verfassung«, resümierte der Präsident zwanzig Minuten später.
    »Ja, Sir, wenn man von diesem Schlagloch in Moskau absieht.«
    Als sein Berater gegangen war, studierte Ryan seinen Terminkalender. Wie immer waren die freien Minuten knapp bemessen. Wenn er keinen Besuch zu empfangen hatte, mussten Vorlagen für anstehende Gesprächsrunden durchgesehen werden, von denen manche schon vor Wochen vorbereitet worden waren. Nein, lichte Momente gab es heute nur wenige. Nichts, was Spaß machen würde: weder Pfadfinder aus Wyoming noch irgendwelche Sportidole oder Miss Pflaumentomate aus dem kalifornischen Imperial Valley. Heute stand nur Arbeit an.
    Scheiße, dachte er.
    Eine Präsidentschaft war dem Wesen nach eine Kette aus Widersprüchen. Der mächtigste Mann der Welt war gehalten, seine Macht ungenutzt zu lassen, jedenfalls solange es keine extremen Krisen zu bewältigen gab, die zu verhindern wiederum seine eigentliche Aufgabe war. Eine Präsidentschaft bestand fast ausschließlich aus Verhandlungen, und zwar meistens mit dem Kongress. Für diese Aufgabe aber war Ryan denkbar schlecht geeignet, und er wäre ganz und gar aufgeschmissen gewesen, hätte er nicht im Schnelldurchgang ein paar Grundregeln von Arnold van Damm, seinem Stabschef im Weißen Haus, gelernt. Zum Glück nahm ihm Arnie einen Großteil der lästigen Verhandlungen ab. Der meldete sich dann im Oval Office und informierte ihn, den Präsidenten, über dessen vermeintlich eigene Entscheidungen beziehungsweise Standpunkte zu diesen und jenen Fragen, die er (van Damm) schließlich in einer Presseerklärung oder vor Reportern der Öffentlichkeit erläutern würde. Ryan verglich seinen Stabschef gern mit einem Anwalt, der sich für ihn, seinen Mandanten, nach Kräften ins Zeug legte und ihm erst nach erfolgreicher Wahrnehmung seiner Interessen erklärte, worin diese eigentlich bestanden. Arnie erzählte überall herum, dass der Präsident vor direkten Verhandlungen geschützt werden müsse, vor allem vor solchen mit dem Kongress – der ja noch zum Glück relativ zahm war. Wie schwierig es wohl erst Präsidenten mit einem widerspenstigen Kongress gehabt haben mochten!
    Aber wozu, zum Teufel, bin ich eigentlich hier?, fragte sich Jack nicht zum ersten Mal.
     
    Der Wahlkampf war die reine Hölle gewesen – obwohl ihm das zur Verfügung gestanden hatte, was Arnie ›Laufsteg‹ zu nennen pflegte. Er hatte täglich nie weniger als fünf Reden halten müssen, manchmal sogar neun, immer an verschiedenen Orten vor unterschiedlichem Publikum – und immer dieselbe Rede, vorgeschrieben auf Karteikarten, die er in der Jackentasche bei sich trug und die mitunter in aller Eile an Bord des Wahlkampfflugzeugs korrigiert werden mussten, was die Ortsnamen anging, weil man aus irgendwelchen Gründen den Reiseplan geändert hatte. Erstaunlich nur, dass seinem Personal nie ein Fehler unterlaufen war. Um der lieben Abwechslung willen hatte er anfangs manchmal die Karten gemischt, aber weil das nicht viel brachte, war er auch davon abgekommen.
    Ja, wenn es eine Hölle gab, so war hier auf Erden eine Wahlkampfkampagne wohl ihre adäquateste Entsprechung, wo man ständig dasselbe sagte, bis es einem zum Hals heraushing, bis der Wunsch überhand nahm, irgendetwas Verrücktes zu tun, was aber natürlich nicht in Frage kam – aus Rücksicht auf die Wählerschaft, die von einem Präsidentschaftskandidaten erwartete, dass er sich wie ein Automat verhielt und nicht wie jemand, der auch mal Fehler machte.
    Aber es hatte auch eine gute Seite gehabt. Zehn Wochen lang hatte er in einem Meer der Zuneigung gebadet. Das ohrenbetäubend laute Gejubel der Massen, ob auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt in Ohio oder im Madison Square Garden von New York City, ob auf Honolulu, in Fargo oder Los Angeles – überall war es das Gleiche gewesen. Überall waren ganz gewöhnliche Menschen zusammengeströmt, um John Patrick Ryan als einen Mann aus dem Volk oder als Supermann zu feiern, je nachdem. Spätestens seit seiner ersten Regierungserklärung in Indianapolis, nachdem er es endlich geschafft hatte, war ihm klar geworden, wie süchtig man nach dieser Form von Huldigung werden konnte, und so machte er seither davon Gebrauch wie von einem gut dosierten Stimulans. Mit der Zeit wuchs der Wunsch, dem Publikum ein perfektes Vorbild zu sein. Er legte zunehmend Wert
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