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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Autoren: Jeri Smith-Ready
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das.“ Alanka hielt sich das Hemd ans Gesicht und atmete den gleichen Duft ein wie vorher. Dann gab sie Adrek das Hemd zurück und trottete links vom Pfad in Richtung Norden. Als er folgte, sagte sie: „Das ist die einzige Richtung, aus der ich vorher keine Gerüche wahrnehmen konnte, wegen des Windes. Bleib zurück, damit ich nicht aus Versehen das Hemd rieche.“
    Nach etwa hundert Schritten wurde ihr klar, dass es nichts nützte. „Nicht hier entlang. Und nicht nach Süden.“ Sie sah in Adreks Gesicht, das angespannt war vor verzweifelter Hoffnung. „Wir bewegen uns weiter in Richtung Fluss, und ich gehe vor und zurück, um zu sehen, ob sie den Pfad verlassen hat, aber …“
    „Sie muss. Sie rennt immer davon.“ Seine Worte überschlugen sich beinah, so schnell sprach er jetzt. „Man dreht den Kopf, blinzelt zweimal, und sie ist verschwunden. So ist das in ihrem Alter, richtig?“ Er ließ den rosa Stoff durch dieFinger gleiten. „Wahrscheinlich ist ihr das Hemd zu warm gewesen, sie hat gequengelt und ihre Mutter dazu gebracht, es ihr auszuziehen, und dann hat sie einen Hasen gesehen oder … oder eine Blume oder …“
    Alanka legte eine Hand auf Adreks Arm. „Wir finden sie.“
    Sie rannten los. Alanka schwenkte nach beiden Seiten vom Pfad ab und blieb dabei immer innerhalb des Kegels aus Duft, den das Mädchen hinterlassen hatte. Jetzt, da sie an dem Hemd riechen konnte, war es einfacher, die Spur des Mädchens zwischen den anderen Menschen herauszufiltern.
    Aber die Mitte des Kegels wich nie vom Pfad ab. Alanka wusste, dass Adreks angestrengter Atem nicht nur von seinem Lauf durch das Gelände herrührte. Seine Sorge hatte ihren eigenen brennenden Duft.
    Das Licht vor ihnen leuchtete heller, als die Bäume weniger dicht standen. Ihr brannte die Lunge, und innerhalb weniger Augenblicke brach sie aus dem Wald und tauchte in blendendes Sonnenlicht. Aufgeregt lief sie am Flussufer auf und ab und suchte nach einem Duft, der zur Seite schwenkte, einem Anzeichen auf eine Flucht in letzter Sekunde.
    Nichts.
    Adrek stolperte aus dem Wald und ließ sich auf Hände und Knie in den Schlamm sinken. Er hustete mehrere Male und sah dann zu Alanka auf.
    Sie ging zu ihm. „Es tut mir leid.“
    „Nein …“ Mit matschbeschmierten Händen raufte er sich die Haare, als wollte er sie an den Wurzeln ausreißen. Alanka legte ihm einen Arm um die Schultern, die ganz feucht vor Schweiß und Tau waren, der aus den Bäumen tropfte. Wieder und wieder rief er den Namen seiner Tochter, als könne seine Stimme das Kind zu ihm zurückholen.
    „Wir finden sie“, murmelte Alanka. „Wir haben die Nachfahren schon einmal geschlagen – wir können es wieder tun.“
    „Nicht auf ihrem Gebiet. Wir wissen nicht mal, ob sie in der Stadt festgehalten wird. Sie könnte …“ Er stockte. „Sie könnte verkauft werden.“
    Alanka erschauerte. „Ich schwöre auf meinen Geist, Adrek, eines Tages werden sie bereuen, uns je begegnet zu sein.“
    Behutsam legte Rhia eine Decke über die Leiche des letzten Ältesten, den sie von den Pfosten im Gatter befreit hatten. Ihre Brust schmerzte beim Anblick des bleichen faltigen Gesichts der Frau. Auch wenn Rhia Menschen, die sie seit ihrer Kindheit kannte, auf dem Schlachtfeld in Asermos hatte fallen sehen, traf der Anblick dieser Toten sie noch mehr. So viel Weisheit und Macht waren für immer dahin.
    Die Stimmen der Toten flüsterten noch. Jetzt wusste sie, dass sie zu denen gehörten, die hier umgekommen waren. Beinah war sie froh, dass sie die Worte nicht verstand – sicher machten sie ihr Vorwürfe.
    Marek brachte eine Wasserblase und legte ihr eine Hand auf den Rücken. „Wie geht es dir?“
    Mit einem Tuch wischte sie sich den Schweiß unter den Augen weg. „Ich fühle mich verantwortlich.“
    „Du hast deine Heimat beschützt. Es war die Wahl der Nachfahren, zu töten. Du hast ihnen die Schwerter nicht in die Hand gelegt.“
    „Ich habe ihnen die Zielscheiben aufgestellt.“
    Marek ließ seinen Blick nach rechts wandern und stöhnte auf. „Sie kommen!“
    Ein Schauer der Panik erfasste Rhia. „Die Nachfahren? Schon wieder?“
    „Nein.“ Er verzog das Gesicht.
    Aus dem Unterholz trat raschelnd eine Schar Wölfe hervor, die unter dem Gewicht der kleinen Kinder, die sie mit sich trugen, stolperten.
    Gemeinsam mit den anderen rannte Rhia auf die Frauen und Männer zu – allesamt Wölfe in der zweiten Phase, die wie Marek eine andere Person mit ihrer nächtlichen Unsichtbarkeit
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