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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen
Autoren: Jan Costin Wagner
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hinter sich zugezogen hatte und gegangen war.
    Joentaa setzte sich an den Tisch und dachte an Patrik Laukkanen, mit dem er vor zwei Tagen ruhig und sachlich über den Tod gesprochen hatte. An Leena, die ein Baby in den Armen hielt, während Sundström Unbegreifliches zu erklären versuchte. An Sundström, der, um Effektivität bemüht, Aufgabenbereiche absteckte. An Heinonen, der am Abend, als Kimmo ihn nach Hause gefahren hatte, leise und geistesabwesend gesagt hatte: »Ich komme da nicht mehr raus«, und Kimmo hatte nicht begriffen. Morgen sei in England Großkampftag, hatte Heinonen gesagt, und Kimmo hatte noch immer nicht begriffen.
    »Morgen, die englische Liga hat den Boxing-Day, ich habe ziemlich viel auf Manchester gegen Arsenal gesetzt.«
    Kimmo hatte Heinonen angestarrt.
    »Verstehst du?«, hatte Heinonen gefragt, und Joentaa hatte vage genickt.
    Heinonen hatte sich verabschiedet, und Kimmo hatte gesehen, wie Paulina die Tür geöffnet hatte, und Heinonen hatte sich gebückt und die Zwillinge in seine Arme genommen.
    Joentaa stand auf und ging ins Wohnzimmer. Auf dem See hinter der Fensterwand spielten Kinder Eishockey. Über ihnen hing ein blasser Mond, und auf dem Sofa lag noch Tuomas Heinonens Weihnachtsmannkostüm.
    In seinem Rücken glaubte er, ein Klopfen zu hören. Er wartete. Da war es wieder. Jemand klopfte, an seiner Tür. Pasi Laaksonen. Ob er nicht bei ihnen zu Abend essen wolle. Er ging schnell zur Tür und war ein wenig außer Atem, als er öffnete.
    »Achtung«, sagte sie, und Joentaa wich aus, während die strohblonde Frau einen Baum an ihm vorbei balancierte. Eine etwa einen Meter hohe Tanne. Sie ging zielstrebig ins Wohnzimmer und stellte den Baum am Rand des Raums, neben der Fensterwand ab.
    »Hier würde es mir am besten gefallen«, sagte sie, und Joentaa nickte.
    »Was meinst du?«, fragte sie.
    »Sicher. Sehr gut«, sagte er.
    »Hast du was zum Schmücken?«, fragte sie.
    »Zum …«
    »Du weißt schon, so rote Kugeln zum Beispiel.«
    »Ja, ja … ich müsste danach suchen, fürchte ich …«
    »Dann mach dich mal auf die Suche«, sagte sie.
    Joentaa nickte und ging die Treppe hinunter in den Keller. Er wusste, wo die Sachen waren. Er wusste alles über das Chaos in seiner Waschküche. Die roten Kugeln, nach denen verlangt wurde, lagen in einem Pappkarton, gemeinsam mit einigen aus Holz gefertigten Engeln und diversen heiligen Königen.
    Er nahm den ganzen Karton mit nach oben. Larissa stand neben dem Baum und begutachtete, ob er gerade stand.
    »Hier … Kugeln und so was«, sagte Joentaa und reichte ihr den Pappkarton.
    »Sieht doch gut aus, oder?«, fragte sie.
    Joentaa nickte und sah ihr dabei zu, wie sie behutsam, aber zügig, den Weihnachtsschmuck über die Tanne verteilte. Dann standen sie schweigend nebeneinander.
    Draußen auf dem See stritten sich die Kinder. Ihre Stimmen drangen durch das Glas, es schien um den Spielstand zu gehen.
    Joentaa starrte den Baum an und fühlte ein Lächeln auf seinem Gesicht.
13
    In der Nacht erwachte er, weil ein schweres Gewicht auf seinen Körper drückte, und als er die Augen aufschlug, sah er, dass Larissa, auf ihm liegend, eingeschlafen war.
    Er richtete sich vorsichtig auf und schob sie auf die Seite. Deckte sie zu und umarmte sie. Schlang seine Arme um sie, bis sie halb schlafend anfing zu lachen und fragte, ob er sie erdrücken wolle.
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte er und lockerte seinen Griff.
    Sie nickte und schlief schnell wieder ein.
    Er betrachtete den Flockenwirbel hinter dem Fenster und dachte an Leena Jauhiainen, die am Mittag einen stillen Zusammenbruch erlitten hatte. Sie hatte einige Minuten lang, mit dem Baby im Arm, auf dem Sofa gesessen und Fragen gestellt, die Paavo Sundström beantwortet hatte. Sie hatte währenddessen sehr ruhig gewirkt, aber dann hatte sie behutsam das Kind neben sich gelegt und war weinend vom Sofa auf den Boden gesunken. Joentaa hatte sich zwischen sie und das Baby gesetzt und mit einer Hand ihre Schulter, mit der anderen die Hand des Babys gehalten, das ganz still, mit weit geöffneten Augen auf dem Sofa gelegen hatte. Sundström hatte den Notarzt verständigt, der schnell gekommen war und beruhigende Medikamente verschrieben hatte.
    Er stand auf und ging in die Küche. Er kochte einen Tee und setzte sich mit der dampfenden Tasse an den Tisch. Er fragte sich, ob Leena Jauhiainen jetzt schlief. Vermutlich, dank der wirksamen Medikamente. Vor zwei Tagen noch hatte er mit Patrik Laukkanen über genau
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