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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen
Autoren: Jan Costin Wagner
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stand unschlüssig da.
    »Äh … Kimmo?«, sagte Heinonen.
    »Entschuldige«, sagte Joentaa und schrieb: Liebe Larissa, ich musste zu einem Einsatz. Hoffe, dass du gut geschlafen hast. Wäre schön, wenn du noch hier bist, wenn ich nach Hause komme. Kimmo.
    Er legte den Zettel und den Zweitschlüssel fürs Haus gut sichtbar auf den Wohnzimmertisch. Der Wintertag war gelb und blau und verursachte ein Stechen hinter den Augen.
    Heinonen rief seine Frau an, während sie fuhren, und Kimmo Joentaa dachte an ein leeres Haus, am Abend, wenn er zurückkehren würde. Und daran, dass er ihre Adresse nicht kannte und auch nicht ihr Geburtsdatum. Er wusste nur, dass sie nicht Larissa hieß.
8
    Der Schnee knirschte unter seinen Füßen, Heinonen murmelte etwas Unverständliches, und Joentaa dachte, dass es nicht wirklich war. Ein Bild, eine arrangierte Szene, die aus der sie umgebenden Realität herausfiel.
    Der Tote lag auf dem Rücken, einer der Ski an den Füßen des Mannes ragte senkrecht in die Höhe. Die hellblaue Sportjacke war von Blut durchtränkt. Die Mitarbeiter der Spurensicherung in ihren weißen Overalls verschmolzen mit dem Schnee.
    Kari Niemi, der Leiter der Spurensicherung, gab in seiner ruhigen Art Anweisungen. Vor und hinter der am Boden liegenden Leiche verliefen Langlaufloipen, die nach rechts in den Wald und nach links bis zum Horizont führten. Über dem Horizont hing die Wintersonne. Paavo Sundström kam ihnen entgegen und sagte: »Das ging ja schnell.«
    Heinonen entgegnete etwas, und Joentaa lief an den beiden vorbei, um den Toten herum. Neben dem seitlich abgewandten Kopf des Mannes lag eine Zipfelmütze aus Wolle, deren hellblaue Farbe dem Hellblau der Sportjacke und dem Hellblau des Himmels ähnelte. Joentaa ging in die Hocke und blickte in das Gesicht von Patrik Laukkanen.
    »Zwei Jungen und eine Frau haben ihn gefunden. Er muss überrascht worden sein. Vermutlich von hinten attackiert, sieht nach Messerstichen aus. Das meint zumindest Salomon«, sagte Sundström.
    Joentaa hob den Blick und sah Salomon Hietalahti in einiger Entfernung auf einer Bank sitzen. Hietalahti war Laukkanens engster Mitarbeiter im gerichtsmedizinischen Institut. Joentaa hatte Laukkanen nicht gut gekannt, aber er wusste, dass er und Hietalahti sehr gut zusammengearbeitet hatten. Vielleicht waren sie sogar befreundet gewesen. Er richtete sich auf und ging auf die Bank zu, die einen malerischen Blick auf die verschneite Stadt bot.
    »Salomon«, sagte er.
    »Kimmo, grüß dich«, sagte Hietalahti abwesend.
    Joentaa setzte sich neben ihn auf die Bank.
    »Vielleicht solltest du diese … vielleicht solltest du hier nicht mitarbeiten«, sagte Joentaa.
    »Vielleicht«, sagte Hietalahti.
    Joentaa sah Heinonen und Sundström am Rand stehen, in ein hektisches Gespräch vertieft. Petri Grönholm stand an der Absperrung neben den beiden kleinen Jungen, die Patrik Laukkanen gefunden hatten und das Geschehen mit großen Augen und gemischten Gefühlen verfolgten. Sie wirkten entsetzt und gleichzeitig aufgeregt. Unten, in der Stadt, läuteten Kirchenglocken.
    »Wusstest du, dass er kürzlich erst Vater geworden ist? Patrik, meine ich …«, fragte Hietalahti.
    »Nein.«
    »Spätes Vaterglück. Er ist ja schon Anfang Fünfzig. Er hat nie viel von sich erzählt, aber das dann doch. Er meinte, dass er vielleicht zu alt sei und dass er vielleicht sterben werde, bevor sein Sohn volljährig ist … das hat ihn ziemlich beschäftigt.«
    Joentaa nickte und suchte nach Worten.
    »Sie weiß noch gar nicht Bescheid. Leena …«, sagte Salomon. »Leena, meine ich, sie weiß noch gar nicht, dass Patrik … tot ist. Wirst du das machen? Ihr Bescheid sagen?«
    »Ich weiß nicht … ich werde das mit Paavo Sundström absprechen.«
    »Es wäre vielleicht gut, das bald zu machen.«
    »Sicher. Du hast Recht.«
    »Sie leben schon lange zusammen. Mindestens dreizehn Jahre, so lange haben wir zusammengearbeitet, und damals, als ich hier anfing, war Patrik schon mit Leena zusammen. Manchmal war ich bei ihnen, zum Essen … nur einige Male, aber es war immer sehr schön. Patrik hat erzählt, dass Leena sich unglaublich über dieses späte Kind gefreut hat … er hat das nie so genau gesagt, aber sie haben das wohl … sie haben wohl lange gebraucht, bis es geklappt hat …«
    Joentaa nickte.
    »Sie wohnen hier ganz in der Nähe. Zwei, drei Kilometer entfernt«, sagte Hietalahti.
    Sundström gestikulierte in der Ferne. Joentaa sah ihm eine Weile dabei zu, bis er
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