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Im Taumel der Herzen - Roman

Im Taumel der Herzen - Roman

Titel: Im Taumel der Herzen - Roman
Autoren: Johanna Lindsey
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nach ihrer Heirat zu ihrem Mann gezogen, dessen Haus ein ganzes Stück entfernt lag, und alle paar Monate verließen sie und Harold die Stadt, um etliche Wochen auf dem Landsitz von Harolds Familie zu verbringen. Er hoffte, sie würden eines Tages für immer dort bleiben, auch wenn Carol sich vorerst noch nicht mit diesem Gedanken anfreunden konnte. Zum Glück war Harold nicht
der Typ dominanter Ehemann, der sämtliche Entscheidungen traf, ohne die Wünsche seiner Gattin in Betracht zu ziehen.
    Ein paar Minuten lang ritten die beiden jungen Frauen nebeneinander her, doch nachdem Julia schon seit einer Stunde im Park war, machte sie ihrer Freundin einen Vorschlag: »Hättest du Lust, auf dem Heimweg eine Pause am Teehaus einzulegen? Auf ein Eis?«
    »Es ist zu früh und noch nicht warm genug für ein Eis. Wobei ich tatsächlich sehr hungrig bin. Das Morgengebäck von Mrs. Cables fehlt mir richtig. Lässt du dir morgens immer noch ein Frühstücksbuffet herrichten?«
    »Selbstverständlich. Warum sollte sich das ändern, bloß weil du geheiratet hast?«
    »Harold weigert sich hartnäckig, euch eure Köchin abspenstig zu machen. Ich liege ihm ständig in den Ohren, es zumindest zu versuchen.«
    Julia brach in lautes Gelächter aus. »Ihm ist eben klar, dass er sie sich nicht leisten kann. Jedes Mal, wenn jemand sie abzuwerben versucht, kommt sie zu mir, und ich erhöhe ihren Lohn. Sie weiß genau, wo man es gut mit ihr meint.«
    Julia traf solche Entscheidungen, weil ihr Vater dazu nicht mehr in der Lage war. Ihre Mutter hatte derartige Dinge auch zu Lebzeiten nie entschieden. Helene Miller hatte in keinem Bereich ihres Lebens die Kontrolle übernommen, nicht einmal in ihrem Haushalt. Sie war eine ängstliche Frau gewesen, die sich davor fürchtete, jemanden zu kränken, und wären es die Dienstboten. Fünf Jahre zuvor war sie bei dem Kutschenunglück ums Leben gekommen, das Gerald Miller zum Invaliden gemacht hatte.
    »Wie geht es deinem Vater?«, fragte Carol.
    »Unverändert.«
    Carol erkundigte sich jedes Mal nach ihm, und Julias Antwort fiel selten anders aus. Er hätte Glück, noch am Leben zu
sein, hatten die Ärzte ihr erklärt, nachdem sie sie mit der Prognose schockiert hatten, er würde nie wieder er selbst sein. Sein Kopf hätte bei dem Unfall zu schwere Verletzungen davongetragen. Auch wenn die sieben Knochen, die er sich an jenem Tag gebrochen hatte, wieder verheilt wären, würde sein Gehirn sich niemals erholen. Die Ärzte hatten Julia gnadenlos die Wahrheit gesagt, ohne ihr irgendwelche Hoffnungen zu machen: Ihr Vater würde zwar wie ein normaler Mensch abends einschlafen und morgens wieder aufwachen, er könnte sogar essen, wenn ihn jemand fütterte, aber er würde nie wieder etwas anderes als sinnloses Gebrabbel von sich geben. Glück, noch am Leben zu sein. Julia hatte sich oft in den Schlaf geweint und dabei an jene Formulierung denken müssen.
    Trotzdem hatte Gerald die Vorhersagen seiner Ärzte Lügen gestraft. Im ersten Jahr nach dem Unfall war es nur ein einziges Mal passiert, danach alle paar Monate: Schlagartig wusste er, wenn auch meist nur für ganz kurze Zeit, wer er war, wo er sich aufhielt und was ihm zugestoßen war. Die ersten paar Male war er dabei von einer solchen Wut und Angst erfüllt gewesen, dass man seine Momente der Klarheit im Grunde keinen Segen nennen konnte. Und er erinnerte sich daran! Jedes Mal, wenn er wieder bei klarem Verstand war, konnte er sich an seine früheren Phasen mentaler Klarheit erinnern. Für ein paar Minuten oder sogar Stunden war er wieder er selbst – aber das dauerte nie lange, und aus den toten Zeiten dazwischen blieb ihm nicht das Geringste im Gedächtnis.
    Seine Ärzte hatten dafür keine Erklärung. Sie hatten nie damit gerechnet, dass er jemals wieder in der Lage sein würde, zusammenhängend zu denken. Noch immer machten sie Julia keine Hoffnung, dass er sich eines Tages ganz erholen könnte. Sie nannten seine klaren Momente eine Laune der Natur. Etwas Derartiges hatte es noch nie gegeben, über Präzedenzfälle war nichts bekannt. Sie gaben Julia den Rat, auf keinen
Fall damit zu rechnen, dass es erneut passieren würde. Doch es passierte.
    Es brach ihr das Herz, als ihr Vater sie während der dritten klaren Phase fragte: »Wo ist deine Mutter?«
    Sie hatte Anweisungen bekommen, ihn ja nicht aufzuregen, falls er jemals wieder »erwachen« sollte, was bedeutete, dass sie ihm nicht erzählen durfte, dass seine Frau bei dem Unfall ums Leben
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