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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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Feuer andere Dinge …«
    Doch er hatte mir bereits wieder den Rücken zugewandt. Ich verschränkte die Arme und sah weg, hinaus aufs Feld. Judes Toyota stand immer noch neben seinem alten Impala im Hof.
    »Also schön«, sagte ich. »Wenn du vom Beladen des Lasters eine Pause machst, hast du sicher nichts dagegen, wenn ich kurz bei Jude vorbeischaue.« Die Muskeln in seinen Schultern verkrampften sich, doch er schwieg eisern und drehte mir weiterhin den Rücken zu. »Anscheinend hat er eine Kiste mit Sachen von mir.« Ich wartete eine Weile, doch als Ezra immer noch nichts erwiderte, reichte ich Jeremy die Hand, und gemeinsam gingen wir den ausgetretenen Pfad entlang, der übers Feld zu Judes Haus führte.

    »Wohin gehen wir, Mommy?«
    »Einen alten Freund besuchen.«

    Im Gegensatz zu den anderen Farmen im Turtle Valley gab es an Judes Auffahrt kein Schild mit der Hausnummer oder einem in Holz gebrannten Namen. Stattdessen hing dort das metallene Türschild eines Restaurants, das Jude auf einer Reise durch das Okanagan Valley in einem Secondhandladen gefunden hatte: Auf rotem Hintergrund stand in schwungvollen weißen Buchstaben das Wort Zuhause geschrieben.
    Jude hatte das Haus eigenhändig gebaut, den Holzrahmenbau noch im selben Jahr hochgezogen, in dem er das Land von meinen Eltern kaufte, und es immer wieder ausgebaut und seinen Bedürfnissen angepasst. Als sein Sohn Andy geboren wurde, hatte er das Kinderzimmer nach hinten versetzt, und die Treppe durch eine Rampe samt Veranda ausgetauscht, sobald Lillian einen Rollstuhl benötigte. Eine brandneue Veränderung ragte nun aus dem Dachfirst über dem großen Schlafzimmer im oberen Stockwerk heraus. Schon vor Jahren hatte er davon gesprochen, die niedrige rechtwinklige Decke des Schlafzimmers zu ersetzen, an der er sich dauernd den Kopf anschlug.
    Ich führte Jeremy an der Hand über die Rampe zur Veranda, um an der Haustür zu klopfen. Eine männliche Schaufensterpuppe stand am Wohnzimmerfenster und hielt Wache. Jude hatte die Puppen also doch behalten. Damals hatte ich ihn gehänselt und ihn einen Messie genannt, weil er nie etwas wegwarf. »Und du wirfst die Dinge viel zu schnell weg«, hatte er geantwortet. »Wenn man jung ist, glaubt man, alles sei ersetzbar, selbst Freunde. Und man könnte sich immer etwas Neues besorgen. Aber das stimmt nicht. Bei fast allem, was ich weggeworfen habe, habe ich es später bereut.«

    Auf der Veranda diente die Rückbank eines Autos als Sofa, und ein altes Fernsehgerät thronte auf einem Holzklotz davor: Die Glasscheibe, das Innenleben und die Rückplatte waren abmontiert, so dass man nun im Fernseher die Farm meiner Eltern und im Hintergrund die brennenden Hügel sah. Über den Bergen warf ein Martin-Mars-Wasserbomber seine Ladung ab und tauchte die Bäume in ein grellrotes Pink, diese sonderbare Farbe des indischen Tandoori-Hähnchens.
    Ich klopfte ein weiteres Mal.
    »Schau mal, die Frau da«, sagte Jeremy, und ich drehte mich erst zu Judes Pick-up und dann zu seinem Impala um, dem Auto, das er vor all den vielen Jahren gefahren hatte, als wir ein Paar waren. Eine unserer Schaufensterpuppen, diesmal eine Frau, hockte auf dem Vordersitz des Impalas, die verschränkten Beine faul aus dem Beifahrerfenster gestreckt. Sie trug rote Stöckelschuhe.
    »Ist sie nicht lustig?«, fragte ich.
    Ich folgte Jeremy hinunter zum Impala und schaute in den Wagen. Die Babyschuhe, die Jude und ich zusammen gekauft hatten, baumelten am Rückspiegel. Abgesehen von den gehäkelten Schühchen und der Schaufensterpuppe war das Auto noch genauso wie damals, als wir darin Ausflüge gemacht hatten. Der Aufkleber an der Heckscheibe, auf dem Glaub nicht alles, was du denkst stand. Die roten Sitzbezüge. Keine Gurte an den Vordersitzen. Die Gurte für die Rückbank hatte er angebracht, nachdem ich an die Küste gezogen war. Für Andys Kindersitz. Wenn ich mit Jude in dem Auto fuhr, glaubte ich zu schweben, war ungebunden und frei. Es war gefährlich. Berauschend.
    Ich hörte Schritte im Haus und führte Jeremy zurück zur Veranda. Jude öffnete die Tür, lediglich mit einem Laken bekleidet, das er um die Hüfte und Beine geschlungen hatte und
wie eine Schleppe hinter sich auf dem Boden herzog. »Katrine!«, sagte er. Seine Brust und die Arme waren immer noch muskulös, ein Geschenk seiner körperlichen Arbeit, obwohl sich ein kleines Bäuchlein über dem Laken wölbte. Als er meinen Blick bemerkte, zog er rasch den Bauch ein.
    »Ich habe dich
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