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Im Sturm des Lebens

Im Sturm des Lebens

Titel: Im Sturm des Lebens
Autoren: Nora Roberts
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Forderungen am häufigsten ignoriert.
    Es war natürlich schwieriger, die Forderungen zu ignorieren, wenn sie sich mit seinem Großvater zusammentat. Schulterzuckend eilte Tyler aus dem Büro. Er konnte durchaus ein paar Stunden erübrigen, und das wussten sie genauso gut wie er. Nur die besten
Leute arbeiteten in den MacMillan-Weinbergen, und er hätte sogar in der Saison wochenlang wegbleiben und sich dennoch auf seine Leute verlassen können.
    Es lag einfach nur daran, dass er die großen, ausgedehnten Zusammenkünfte der Giambellis verabscheute. Sie kamen ihm immer vor wie eine Zirkusvorstellung. Und da man seine Augen nicht überall haben konnte, bestand immer die Gefahr, dass einer der Tiger aus dem Käfig entwich und einem an die Kehle sprang.
    All diese Leute, diese vielen Themen, all diese Anspielungen und unterschwelligen Strömungen ... Tyler fühlte sich wohler, wenn er durch seine Weinberge ging, die Fässer kontrollierte oder sich mit einem seiner Winzer irgendwo hinsetzte und über die Eigenschaften des diesjährigen Chardonnays diskutierte.
    Gesellschaftliche Verpflichtungen waren eben nichts anderes als Verpflichtungen.
    Tyler ging durch das Haus, das einmal seinem Großvater gehört hatte, in die Küche und füllte seine Thermoskanne mit frischem Kaffee. Geistesabwesend legte er das mobile Telefon, das er immer noch in der Hand hielt, auf die Küchentheke und ging im Geiste seinen Terminplan durch.
    Er war kein verweichlichter Städter mehr. Er war über einen Meter achtzig groß, mit einem Körper, den die Arbeit in den Weinbergen und an der frischen Luft geprägt hatte. Seine Hände waren groß und schwielig, mit langen Fingern, die es verstanden, die Traube unter den Blättern ganz zart zu ertasten. Seine Haare waren lockig, wenn er vergaß, sie schneiden zu lassen, was oft passierte, und sie waren tiefbraun mit einem rötlichen Schimmer, wie alter
Burgunder in der Sonne. Sein Gesicht war eher ausdrucksvoll als gut aussehend, mit ersten Fältchen um die Augen – Augen, die von einem klaren, ruhigen Blau waren, die jedoch auch hart wie Stahl werden konnten.
    Die Narbe an seinem Kinn, die er einem Steinschlag verdankte, in den er mit dreizehn geraten war, fiel ihm nur auf, wenn er daran dachte, sich zu rasieren.
    Das würde er morgen vor dem Essen tun müssen.
    Seine Angestellten hielten ihn für einen gerechten, wenn manchmal auch ein wenig eigensinnigen Mann. Tyler hätte diese Einschätzung gefallen. Sie hielten ihn auch für einen Künstler, und das hätte ihn verblüfft.
    Denn für Tyler MacMillan war die Traube die Künstlerin.
    Er trat nach draußen in die frische Winterluft. In zwei Stunden ging die Sonne unter, und er musste sich um die Weinstöcke kümmern.
     
    Donato Giambelli hatte gewaltige Kopfschmerzen und er wusste auch woher. Die Ursache hieß Gina, und sie war seine Frau. Als die Einladung von La Signora gekommen war, hatte er gerade mit seiner neuesten Geliebten im Bett gelegen, einer viel versprechenden, äußerst talentierten Schauspielerin.
    Sie hatte Schenkel, mit denen man Nüsse knacken konnte. Im Gegensatz zu seiner Frau brauchte seine Geliebte nur gelegentlich ein kleines Geschenk und dreimal die Woche schweißtreibenden Sex. Sie brauchte keine Gespräche.
    Manchmal dachte er, Gina brauche nur Gespräche.
    Jetzt redete sie auf ihn ein. Redete auf jedes ihrer drei Kinder ein. Redete auf seine Mutter ein, bis die Luft im Firmenjet erfüllt war von endlosem Geplapper.
    Umringt von ihr, dem schreienden Baby, dem Trampeln des kleinen Cesare und Teresa Marias Gehüpfe überlegte Don ernsthaft, ob er nicht die Tür öffnen und seine ganze Familie in den Orkus schicken sollte.
    Lediglich seine Mutter war still, und das auch nur, weil sie eine Schlaftablette, eine Tablette gegen Reisekrankheit, eine Allergietablette und was sonst nicht noch alles genommen und sie mit zwei Gläsern Merlot hinuntergespült hatte, bevor sie ihre Augenmaske aufgesetzt hatte und süß entschlummert war.
    Sie hatte die meiste Zeit ihres Lebens – zumindest, soweit er sich erinnern konnte – vollgepumpt mit Medikamenten verdämmert. Im Augenblick empfand er das als ganz besonders klug.
    Er konnte nur mit pochenden Schläfen dasitzen und seine Tante Teresa zur Hölle wünschen, weil sie darauf bestanden hatte, dass die ganze Familie die Reise antrat.
    Er war doch schließlich Vizepräsident von Giambelli, Venedig, oder etwa nicht? Geschäfte erforderten seine Anwesenheit, nicht die seiner
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