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Im Sturm des Lebens

Im Sturm des Lebens

Titel: Im Sturm des Lebens
Autoren: Nora Roberts
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Die Anwälte müssen das Testament noch mal ändern. Und sie hat mir die Kamee ihrer Mutter gegeben ...«
    »Ich dachte, die hättest du schon letztes Mal bekommen?«
    »Nein, letztes Mal war es die Bernsteinkette. Sie möchte alle bei dem Treffen sehen. Du musst zurückkommen.«
    »Na gut, na gut.« Sophia blickte auf ihren Organizer und schickte Jerry DeMorney in Gedanken einen Abschiedskuss. »Sobald ich hier fertig bin, mache ich mich auf den Weg. Aber wirklich, Mama, ihre neue Gewohnheit, alle paar Monate zu sterben oder ihr Testament zu ändern, ist ziemlich lästig.«
    »Du bist ein gutes Mädchen, Sophie. Ich werde dir die Bernsteinkette hinterlassen.«
    »Vielen Dank.« Lachend legte Sophia auf.
    Zwei Stunden später saß sie im Flugzeug und dachte darüber nach, ob sie in vierzig Jahren wohl auch nur mit dem Finger zu wackeln brauchte und jeder käme angeflogen.
    Die Vorstellung brachte sie zum Lächeln. Sie lehnte sich mit einem Glas Champagner in ihrem Sitz zurück und hörte über die Kopfhörer Verdi.
     
    Nicht jeder kam direkt angeflogen. Tyler MacMillan mochte es zwar nicht weit zur Villa Giambelli haben, aber er hielt die Weinstöcke für wesentlich wichtiger als einen Besuch bei La Signora .
    Und das sagte er auch.
    »Hör zu, Ty. Ein paar Stunden wirst du wohl erübrigen können.«
    »Nein.« Ty lief in seinem Büro hin und her. Am liebsten wäre er sofort wieder in die Weinberge gegangen. »Es tut mir Leid, Großpapa. Du weißt doch, wie wichtig der Winterschnitt ist, und Teresa weiß das auch.« Er presste sein Handy ans Ohr. Er hasste es, weil er es ständig verlor. »Die Weinstöcke der MacMillans brauchen genauso viel Pflege wie die der Giambellis.«
    »Ty ...«
    »Du hast mir hier die Verantwortung übertragen. Ich tue nur meine Arbeit.«
    »Ty«, wiederholte Eli. Er wusste, dass man mit seinem Enkel solche Dinge ausführlich besprechen musste. »Teresa und ich fühlen uns den MacMillan-Weinen genauso verpflichtet wie den Giambelli-Weinen, und das schon seit zwanzig Jahren. Ich habe dir die Verantwortung übertragen, weil du ein außergewöhnlich guter Winzer bist. Teresa hat Pläne. Pläne, die dich betreffen.«
    »Nächste Woche.«
    »Morgen.« Eli kehrte nicht oft den Chef heraus, das war normalerweise nicht seine Art. Wenn es jedoch nötig war, konnte er sehr bestimmend sein. »Ein Uhr. Zum Mittagessen. Zieh dich passend an.«
    Tyler blickte finster auf seine alten Stiefel und den ausgefransten Saum seiner dicken Hose. »Das ist mitten am Tag!«
    »Bist du der Einzige bei MacMillan, der Rebstöcke beschneiden kann, Tyler? Du hast offenbar in der letzten Saison zahlreiche Angestellte verloren.«
    »Ich komme. Sag mir nur noch eins ...«
    »Natürlich.«
    »Ist es wenigstens für eine Zeit lang das letzte Mal, dass sie stirbt?«
    »Ein Uhr«, erwiderte Eli. »Sei pünktlich.«
    »Ja, ja, ja«, murrte Tyler, nachdem er aufgelegt hatte.
    Er betete seinen Großvater an. Er betete auch Teresa an, vielleicht gerade weil sie so lästig war. Als sein Großvater die Giambelli-Erbin geheiratet hatte, war Tyler elf Jahre alt gewesen. Er hatte sich sofort in die Weinberge, in die sanften Hügel, die dunklen Keller und die riesigen Gewölbe verliebt.
    Und er hatte sich äußerst real in Teresa Louisa Elana Giambelli verliebt, diese bleistiftdünne, aufrechte und irgendwie Angst einflößende Gestalt, die er das erste Mal sah, als sie in Stiefeln und Hosen, die seinen nicht unähnlich waren, durch die Senfsaat zwischen ihren Weinstockreihen streifte.
    Sie hatte einen Blick auf ihn geworfen, eine Augenbraue hochgezogen und ihn als verweichlicht und verstädtert eingestuft. Wenn er ihr Enkel sein wollte, hatte sie ihm erklärt, dann müsse er erst einmal härter werden.
    Sie hatte ihn für den Sommer in die Villa beordert. Niemand zog in Erwägung, ihr zu widersprechen. Ganz bestimmt nicht seine Eltern, die mehr als froh waren, ihn für so lange Zeit loszuwerden, damit sie Partys besuchen und ihre Affären pflegen konnten. Also war er dort geblieben.
    Tyler trat ans Fenster. Er hatte Sommer für Sommer dort verbracht, bis er in den Weinbergen viel mehr zu Hause war als in dem Haus in San Francisco, und bis Teresa und sein Großvater ihm mehr Eltern waren, als seine Mutter und sein Vater jemals zuvor.
    Teresa hatte ihn geformt, bis er zu dem wurde, der er heute war.
    Aber er war nicht ihr Eigentum. Es ist eine Ironie des Schicksals, dachte er, dass gerade ich die Person in ihrem Umfeld bin, die ihre
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