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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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verlieren, sobald er sich auf See wagte. Also hatte er sie in dieses abgelegene Paradies gebracht, damit sie immer bei ihm bleiben musste.
    Diese Frau war die Erste, die ihre Kinder auf Charmantes zur Welt brachte, wie die größte Insel inzwischen genannt wurde – und zwar sechs an der Zahl. Die drei mittleren Söhne kamen bei einem großen Feuer um, das nur den Ältesten, Jean III., seine Schwester Eleanor und Frederic verschonte, der zwölf Jahre jünger war als sein ältester Bruder. Viele Jahre später gingen die beiden Brüder nach Virginia, um sich um die Geschäfte der Familie in Richmond zu kümmern.
    Als Jean Duvoisin II. im Jahr 1796 erkrankte, kehrte sein Ältester nach Charmantes zurück, wo er in die Unruhen zwischen den westindischen Inseln, die in amerikanischem und französischem Besitz waren, involviert wurde und dabei sein Leben verlor. Innerhalb eines Jahres starb auch Jean III., woraufhin Frederic das gesamte Vermögen der Duvoisins in den Schoß fiel. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade dreiundzwanzig Jahre alt. Da er von Richmond aus das Geschehen auf den Inseln nicht im Blick hatte und ihren Verlust befürchten musste, kehrte er nach Les Charmantes zurück und vereinigte die kleinen Farmen seines Vaters zu einer großen Zuckerrohrplantage, die er von Sklaven und persönlich ausgewählten Pächtern bewirtschaften ließ.
    Frederic war bereits in den Dreißigern, als er eine um fünfzehn Jahre jüngere Engländerin mit Namen Elizabeth Blackford ehelichte. Die junge Frau verließ ihre Familie – Mutter, Vater, Bruder und Schwester – und fuhr von Liverpool aus auf die Inseln, um zusammen mit ihrem Mann ein neues Leben zu beginnen. Leider starb sie jedoch kein Jahr später im Kindbett.
    »Im Lauf der Jahre hat sich die Insel ständig weiterentwickelt«, fuhr der Kapitän fort. »Das Zuckergeschäft führte zur Anlage eines Hafens, wo die Schiffe Vorräte und Versorgungsgüter entladen und im Gegenzug Rohzucker an Bord nehmen konnten. Um den Hafen herum entstand nach und nach eine Siedlung, deren Häuser von befreiten Gefangenen errichtet wurden. Nach Verbüßung ihrer Strafe ermutigte Frederic die Besten unter ihnen, auf den Inseln zu bleiben und gegen regelmäßigen Lohn in seine Dienste zu treten. Diese Männer waren die ersten Siedler auf Charmantes, und einige von ihnen ließen sogar ihre Familien nachkommen. Etliche Geschäftspartner, die Frederic nahestanden, hielten ihn für übergeschnappt und seine Idee für reine Narretei. In Europa galten diese Männer als Verbrecher, dabei waren die meisten nur wegen lächerlicher Taten verurteilt worden. Armut bringt eben so manchen Mann auf dumme Gedanken. Auf Charmantes bot sich ihnen jedoch die Gelegenheit, noch einmal von vorn zu beginnen – und die meisten ergriffen die Gelegenheit voll Eifer. Es sind wilde Gesellen darunter mit Ecken und Kanten, und dennoch gibt es so gut wie keine Verbrechen auf der Insel, weil diese Männer, wenn man so will, für den Frieden bürgen. Als die Bevölkerung zunahm, sorgte Frederic dafür, dass sich weiteres Gewerbe auf der Insel ansiedelte. Als Erstes wurde Thompson’s Handelshaus gegründet, wo sich die Bewohner mit Waren aller Art versorgen können. Dann eröffnete ein Böttcher sein Geschäft und fertigt seitdem die wasserdichten Fässer, die für den Transport des Rohzuckers unerlässlich sind. Das Dulcie’s folgte wenig später.«
    »Das Dulcie’s?«, fragte Loretta.
    »Der Saloon«, erklärte Jonah Wilkinson und legte eine Pause ein, um einen Schluck Kaffee zu trinken. »Später kam noch ein Mietstall dazu und dann ein Versammlungshaus, das an Sonntagen auch als Kirche dient. Das ist jetzt zehn Jahre her. Miss Colette ist eine strenge Katholikin und bestand darauf, dass die Bevölkerung diese Möglichkeit bekam.«
    »Gibt es tatsächlich einen Reverend auf der Insel, der regelmäßig die Messe liest?«, fragte Loretta erstaunt. »Ich dachte, dass meine Schwester übertreibt, als sie mir in einem Brief davon schrieb.«
    »Nein, nein, das war keineswegs übertrieben. Der Mann ist römisch-katholischer Priester und lebt schon seit vielen Jahren auf Charmantes.«
    »Ist das denn nicht ungewöhnlich? Soweit ich weiß, schickt die Kirche doch keine Priester auf solch kleine, entlegene Inseln.«
    »Ich fürchte, da unterschätzen Sie die Größe und die Bedeutung von Charmantes«, erwiderte Jonah Wilkinson. »Es gibt dort sogar eine Bank, die einer von Frederics Freunden aus Virginia leitet. Viele
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