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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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Wort.«
    »Gefangenschaft?« Das Lachen des Kapitäns klang unecht. »Miss Colette hat ihrem Mann zwar drei Kinder geboren, aber ich kann versichern, dass sie ein höchst angenehmes Leben führt«, erklärte er mit fester Stimme, als ob das einen solchen Handel erträglicher machte.
    Charmaine nagte an ihrer Unterlippe. Sie war völlig durcheinander, und ihre Gedanken eilten zu der Insel. Eine Ehe ohne Liebe . Ihre Mutter hatte eine solche Ehe erduldet. Im Vergleich dazu war ihr eigenes Leben mit einem Mal gar nicht mehr erdrückend und eng. Im Gegenteil. Sie hatte nicht gewusst, wie frei sie in Wirklichkeit war.
    Am Abend lud Kapitän Wilkinson Charmaine und die Harringtons zum gemeinsamen Mahl in seine Kabine ein. Obgleich die Speisen nur mittelmäßig waren, wurde es ein angenehmer Abend. Selbst Mrs. Harrington aß mit Appetit und war in kürzester Zeit von ihrem warmherzigen Gastgeber äußerst angetan. Charmaine hatte ihr haarklein berichtet, was sie am Nachmittag erfahren hatte, und Loretta stellte nun ohne Zögern eigene Fragen. Geschickt, wie sie war, wandte sie sich zuerst der weiter zurückliegenden Geschichte der Duvoisins zu, die mit einem Netz von Geheimnissen umwoben schien. Und der Kapitän, der auf so manchen Abend in Gesellschaft von drei Generationen dieser Familie zurückblicken konnte, kam Lorettas Wunsch nur zu gern nach …
    Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts hatte ein gewisser Jean Duvoisin seine französische Heimat verlassen und war in die Amerikanischen Kolonien aufgebrochen. Als jüngerer Sohn einer wohlhabenden und einflussreichen Familie wollte er in der Fremde sein Glück machen, wobei er auf eine größere Summe Geldes, ein schnelles Schiff und die Segenswünsche seines Vaters zählen konnte. Zu Anfang ließ sich Jean im damaligen Newport’s News in Virginia nieder, wo sich an der Mündung des James River eine aufstrebende Siedlung und ein Schiffsbauzentrum entwickelten. Als er erfuhr, dass William Byrd II. ungefähr neunzig Meilen nordwestlich von Newport’s News eine neue Stadt gründen wollte, zog er mit seiner jungen Familie im Jahr 1737 dorthin. Die Stadt erhielt den Namen Richmond im ehrenhaften Angedenken an Richmond an der Themse, und Jean Duvoisin gehörte zu ihren Begründern. William Byrds Handelsniederlassung und sein Lagerhaus, oder Shocco, wie die Indianer es nannten, waren auf regelmäßige Schiffslieferungen angewiesen. Weitsichtig erkannte Jean Duvoisin die finanziellen Möglichkeiten, die in einer solchen Unternehmung schlummerten, und gab in Newport’s News ein weiteres Schiff in Auftrag. William Byrd schätzte Jeans Wagemut und sicherte letztlich seinen Erfolg, indem er ihm ausgedehnte Gebiete westlich von Richmond übereignete. Es dauerte keine zehn Jahre, bis das gesamte Gebiet gerodet war und Tabakpflanzen angebaut worden waren. Obendrein besaß Jean Duvoisin inzwischen drei Handelsschiffe, die ihrem Besitzer nicht nur ein Vermögen einbrachten, indem sie die Versorgungsgüter aus Europa heranschafften, sondern im Gegenzug seinen Tabak auch zu Vorzugspreisen transportierten. Als Jean Duvoisin mehr als zwanzig Jahre später starb, hatten die beiden Unternehmungen seine kühnsten Erwartungen übertroffen. Die Tabakplantage war um das Dreifache gewachsen, außerdem hatte er weiteres Land in Virginia erworben und das Schifffahrtsgeschäft bereits seinem ältesten Sohnes übereignet.
    Jean Duvoisin II. trat in die Fußstapfen seines Vaters und vergrößerte das Familienimperium, indem er das Geschäft auf dem Ozean ausweitete. Seine ganze Leidenschaft gehörte dem Schifffahrtsunternehmen und dessen Zukunft, sodass er nach dem Tod des Vaters die Tabakplantage in andere Hände übergab. Inzwischen hatte er drei beinahe unbewohnte Inseln in seinen Besitz gebracht und ihnen den Namen Les Charmantes gegeben, was in der Muttersprache seines Vaters »Die Hübschen« bedeutete. Durch ihre günstige Lage inmitten der Handelsrouten seiner Flotte bot sich die größte der Inseln als idealer Stützpunkt an. Jean II. machte die Insel urbar und baute einen ersten Anleger, und als Ruhepol für sich selbst ließ er in der unberührten Einsamkeit im Westen der Insel eine prächtige Villa errichten. Es ging das Gerücht um, dass Haus und Insel in Wahrheit nur als Gefängnis für seine hübsche Frau dienten, was ihm schnell den Titel eines GentlemanPiraten eintrug. Angeblich hatte er das Mädchen einem Rivalen in Richmond unter der Nase weg entführt und befürchtete, sie zu
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