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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai
Autoren: Emile de Turckheim
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einen Quatsch! Das ist nicht von deinem Gesicht, weil du durch die Tür geschaut hast. Der Frau Truchon geht es nicht so gut, weil ihr letztes Stündlein geschlagen hat, und das hat Gott so gewollt, dass sie nicht mehr rumlaufen, nicht mehr essen und sich nicht mehr in ihre zu kleinen Kleider quetschen soll, und der Herrgott schläfert schon immer Leute ein für die Ewigkeit, das ist kein Typ, der sich da vertut! Ich hätte noch gern gesagt, dass er einmal nicht die Falsche erwischt hat, weil Paulette es verdient hat, unterm Fußschemel zu liegen. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, auch dass ich ihm vom Testament von Monsieur Louis erzähle, wo steht, dass Haus, Wald und Teich nicht uns, sondern den Hirnschüsslern gehören. Lucette sagt immer, alles, was man ein bisschen mehr hat als nichts, soll man teilen. Aber das hat Paulette nicht wollen, kein Stück vom Teich oder vom Wald sollte der Wachtmeister kriegen. Holen Sie einen Arzt! Holen Sie einen Arzt! schreit Herr Truchon, statt dass er still weint. Sonst sagt keiner ein Wort, Sacha Milou nicht und der Wachtmeister nicht und der Herr mit dem ganz kleinen Namen nicht, aber wir denken alle mit den Augen, dass Frau Truchon in ihrem Zustand keinen Arzt braucht. Dann fängt Herr Truchon mit den Lobhudeleien an, wie immer, wenn wer von Toten spricht, das ist nämlich so ein Tick von den Leuten, dass sie über die Lebenden immer Gemeinheiten sagen und ihnen dann, wenn sie hin sind, Komplimente machen. Ich will nicht sagen, dass Paulette nicht ein paar Komplimente verdient hat, aber natürlich übertreibt ihr Mann vor lauter Erschütterung ziemlich, er walkt sein Hemd mit den Händen und schluchzt, wenn ich an all die Kinder denke, die du aufgenommen und geliebt hast wie eine Mutter! Kinder, die aus der Gosse kamen! Die nichtsnutzigen Blagen, die du all die Jahre gewaschen, gefüttert und zugedeckt hast! Du warst eine Heilige, mein Schatz! Ich setz mich hin und aus Versehen auf Pistache drauf, der jault, als wenn ich ihn umbringen will.

5
    Sacha Milou geht hinauf schlafen und hat dem Herrn Truchon nicht einmal sein aufrichtiges Beileid ausgedrückt oder gewünscht, dass Paulette es im Paradies schön haben soll, und zu mir sagt er auch nichts wegen dem Hund und dem fast zerquetschten Kopf. Der Herr mit dem ganz kleinen Namen macht eine zackige Verbeugung, weil er nämlich vom Militär ist, ein echter Berufssoldat, und geht auch schlafen. Und mich lassen sie einfach dumm stehen mit Herrn Truchon, der heult wie die Madeleine, von der jeder weiß, dass sie viel heult, mit dem Wachtmeister Lyon-Saëck, der so ein Besserwissergesicht macht, als wenn er mehr weiß als wir, mit Pistache, der sich gar nicht mehr Heiaheia machen traut auf dem grünen Monsieur-Louis-Sessel, Pfötchen unterm Köpfchen, vor lauter Angst, dass es ihm wieder geplättet wird, und Frau Truchon, die aber leider nicht mehr mitzählt, wie ihr wisst. Der Wachtmeister fragt den Herrn Truchon, ob Paulette was mit dem Herzen gehabt hat oder mit den Nerven oder mit der Gesundheit überhaupt. Ich finde das daneben, dass er nach ihrer Gesundheit fragt, wo ihr Gesundheitszustand doch mit Gesundheit gar nichts mehr zu tun hat. Und Herr Truchon macht seine Lage in den Augen des Wachtmeisters nicht besser, wo der ja, wie man feststellen muss, nichts anderes will als Gründe finden, warum Herr Truchon seine Paulette umgebracht hat.
    »Sie hat also nie was gehabt?«
    »Nein, nie! Höchstens mal so getan, um sich wichtig zu machen. Sie war nämlich Sängerin zu ihrer Zeit, und hat gesungen, kaum dass sie ein bisschen Zeit hatte, hat sie gesungen …«
    »Wie jetzt? Versteh ich nicht! Hat sie was gehabt, ja oder nein?«
    »Nein, nichts Ernstes! Ich sage Ihnen ja, sie war völlig gesund!«
    »Und Sie wundern sich nicht, dass eine völlig gesunde Person so plötzlich stirbt, ganz ohne Grund?«
    »Aber man hat doch immer einen Grund zum Sterben. Gottes Ratschluss, was weiß ich!«
    »Sagen Sie, Herr Truchon … was wird jetzt eigentlich aus ihrem Erbteil?«
    »Äh … darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
    »Ich aber. Und ich glaube, dass es selbstverständlich Ihnen zufällt.«
    Ich leide die ganze Zeit, weil Martial so weint in seinem Bett, dass man es durch die ganzen Türen und Wände, die er von uns entfernt ist, trotzdem hört. Armer Martial, und ausgerechnet ich hab ihm gesagt, die Hirnschüssler werden uns schon in Ruhe lassen in unserem schönen Monat Mai! Herr Truchon hat jetzt genug davon,
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