Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schloss unserer Liebe

Im Schloss unserer Liebe

Titel: Im Schloss unserer Liebe
Autoren: Marion Lennox
Vom Netzwerk:
wie sie ihn beobachtete. Vermisste er vielleicht seine Mutter? Konnte das sein?
    Er war ihr Kind. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich danach, ihn zu umarmen und zu küssen. Seit fünf Jahren ging ihr das so. Und nun saß ihr ein selbstständiger kleiner Mensch gegenüber, der unter Bedingungen aufwuchs, die sie nicht kannte. Was würde er denken und fühlen, wenn ihn eine fremde Frau, von der es hieß, sie sei seine Mutter, schluchzend umarmte? Es würde ihn in die Flucht schlagen.
    „Ich werde nie wieder nach Alp de Ciel zurückkehren“, flüsterte sie und wusste im selben Moment, dass sie es nicht meinte. Als sie das kleine Fürstentum verlassen hatte, war sie am Ende gewesen. Wenn sie jetzt zurückginge, würde sie ihren Sohn wiederbekommen … Ihren kleinen Sohn, der sie mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung anschaute.
    „Heute sieht alles ganz anders aus“, sagte Rafael. „Sie würden als Mutter des Kronprinzen zurückkehren. Man würde Sie mit allen Ehren willkommen heißen.“
    „Sie wissen doch, wie man über mich denkt und spricht.“
    „Kass hat über alle Frauen schlecht gesprochen. Die Menschen haben längst aufgehört, ihm zu glauben.“
    „Bitte, er ist Mattys Vater!“, ermahnte sie ihn.
    „Einen, den der Junge kaum kannte. Matty, wann hast du Prinz Kass das letzte Mal gesehen?“
    „Zu Weihnachten“, sagte der Junge und legte die Stirn nachdenklich in Falten. „Die Dame, die er zu Besuch hatte, trug ganz spitze Schuhe. Und dann habe ich sein Foto in der Zeitung gesehen, als er tot war. Tante Laura sagte, alle würden um Papa trauern. Deshalb trauere ich auch um ihn. Darf ich noch ein Stück Schokoladenkuchen haben? Er schmeckt gut.“
    „Aber natürlich“, sagte Kelly. „Geh nur, und schneide dir ein Stück ab.“
    „Ich verstehe das nicht. Kass wollte sich doch um ihn kümmern …“, flüsterte sie.
    „Kass wollte nichts anderes als sein Vergnügen.“ Rafael klang verbittert. „Die Bevölkerung wusste das. Deshalb hielt sich die Trauer um ihn in Grenzen.“
    Der Junge kam mit einem großen Stück auf dem Teller zurück. „Ellen und Marguerite sagen, ich soll immer noch traurig sein, weil mein Papa tot ist. Das ist nicht einfach. Es geht nur, wenn ich an Hermione denke.“
    „Das ist Mattys Schildkröte. Sie ist Weihnachten gestorben, und er war untröstlich“, erklärte Rafael.
    „Wer sind denn Ellen und Marguerite, Matty?“, wollte Kelly wissen.
    „Meine besten Freundinnen. Ellen geht mit mir spazieren. Marguerite macht mein Bett und räumt mein Zimmer auf. Sie ist mit Tony verheiratet. Er arbeitet im Schlossgarten. Manchmal darf ich mich in seine Schubkarre setzen, und er fährt mich umher. Er hat mir auch geholfen, Hermione zu begraben. Und dann haben wir einen Busch an die Stelle gepflanzt. Darf ich abräumen?“
    Kelly nickte und sah ihrem Sohn nach, bis sie merkte, dass Rafael sie beobachtete. „Und nun sind Sie das Staatsoberhaupt“, sagte sie aus Verlegenheit.
    „Ja, leider.“
    „Leider?“
    Sie betrachtete seine Hände und entdeckte den abgebrochenen Fingernagel an seinem rechten Daumen. Kass’ Hände hatten anders ausgesehen. Schlank, feingliedrig und weich waren sie gewesen. Fürstlich eben.
    „Was tun Sie“, fragte Kelly, „wenn Sie nicht Prinzregent sind?“
    „Ich erfinde Spielzeug und baue auch die Modelle selbst.“
    Die Antwort verblüffte sie. „Spielzeug?“
    „Ja. Ich entwickele es, von der Idee bis zur Fertigstellung.“ Offenbar amüsierte ihn ihr Staunen. „Meine Firma verkauft es dann weltweit.“
    „Mein Onkel baut Robo-Craft“, kam Matty seinem Onkel zu Hilfe. Der Junge hörte sich stolz an, und Kelly wurde klar, wie wichtig die Arbeit seines Onkels für ihren Sohn war.
    „Robo-Craft“, wiederholte sie und war beeindruckt. Denn selbst sie, die so zurückgezogen lebte, kannte das Spielzeug.
    Es war ein Bausatz, der, bis auf die Motoren, aus Holzteilen bestand. Schon Vierjährige konnten aus zehn Teilen und einem kleinen Motor etwas bauen. Wenn Kinder älter wurden und der Bausatz aufgestockt wurde, konnten sie größere Erfindungen machen, in die sogar selbst gebastelte Teile einsetzbar waren. Dafür brachte Robo-Craft einen Werkzeugkasten heraus und ermutigte Jungen und Mädchen, Sperrholz mit Säge und Farbe zu bearbeiten.
    „Es heißt, Kinder lieben das Spielzeug wie das Bauen von Baumhäusern“, sagte sie.
    „Onkel Rafael und ich haben im Schlossgarten auch ein Baumhaus errichtet. Kurz bevor wir weggefahren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher