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Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Titel: Im Schlauchboot durch die Unterwelt
Autoren: Stefan Wolf
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Wahrscheinlich
sind die Behausungen dann weniger fußkalt. Allerdings haben wir Pech — die vier
sind vorhin mit dem Wagen, einem alten Mercedes, weggefahren.«
    »Du meinst, die drei«, sagte
Gaby.
    Tim schüttelte den Kopf. »Das
Trio sind vier. Peschke, Meier, Helmers und ein gewisser Waldemar Könken. Sind
vorigen Monat zu viert hier angekommen und daran hat sich bis dato nichts
geändert. Der Platzwart — oder wie dieser Typ sich schimpft — meinte
jedenfalls, es sei noch keiner verstorben.«
    »Wohl der totale
Gemütsmensch?«, forschte Klößchen.
    »Scheint so. Immerhin gibt er
Auskunft. Deshalb soll er uns lieb und wert sein. Diese beiden Wohnmobile ohne
Räder — die ja eigentlich schon Datschas ( Wochenendhaus) sind — waren
noch vorigen Monat in anderem Besitz. Ein 90-Jähriger und seine 85-jährige
Bekannte trafen sich hier jedes Wochenende. Seit Jahren. Aber das Alter hat nun
doch seinen Tribut gefordert — meint der Platzwart — und den beiden ist es hier
zu ungemütlich geworden. Jedenfalls haben sie ihre Wohnmobile abgetreten.
Vermutlich gegen ein Entgelt.«
    »Wann kommt das Quartett
zurück?«, fragte Gaby.
    »Weiß der Platzwart nicht.
Manchmal, sagt er, bleiben sie bis Mitternacht weg.«
    »Sicherlich versorgen sie die
kleine Susi dann in ihrem Versteck.«
    Tim hob die Schultern. »Hier
ist jedenfalls kein Baby. Ich hab vorsichtig gefragt. Wollte wissen, ob meine
Tante mal ihr Kleinkind vorbei gebracht hat — weil doch die Onkels Arnold,
Hartmut, Waldemar und Sigurd ganz wild darauf sind. Aber der Platzwart hat kein
Baby gesehen und auch nichts gehört.«
    »Wollen wir warten?«, fragt
Karl. Es klang wenig begeistert.
    »Bringt nichts. Wenn wir Pech
haben, drehen wir hier noch um Mitternacht Däumchen. Wir kommen später wieder.
Für jetzt hätte ich nen Vorschlag: Warum sehen wir nicht mal rein in Faustos
Boxcamp? Um 15 Uhr beginnt das öffentliche Training. Da hängen dann die Fans rum
und die Presse ist auch da.«
    »Falls dort Blut fließt«, sagte
Gaby, »aus Nasen, zum Beispiel, und Schweiß durch die Gegend spritzt — bleibe
ich in der zweiten Reihe. Oder noch weiter hinten.«
    »Ich dachte, du wolltest dich
als Boxerin anmelden«, griente Klößchen.
    »Nicht mal um dich zu
verprügeln, wäre ich zu dieser Abartigkeit bereit.«
    Tim lachte. »Bin da ganz deiner
Meinung, Pfote — obwohl ich meinen Kampfsport liebe. Aber wenn man von den
Veilchenaugen eines Mädchens spricht, sollte die Farbe der Augen gemeint sein —
und nicht die Ansammlung der Blutergüsse ringsum.«

5. Heiße Info vom Sportreporter
    Das flache Gebäude war
grottenhässlich, hatte hoch liegende Fenster mit weißgestrichenen Scheiben und
einen klärschlamm-farbenen Verputz. Durch das breite Tor konnte ein Lkw durch.
Und zu früheren Zeiten war das auch täglich passiert — als das Gebäude noch
Lagerhalle für eine Bierbrauerei war. Später hatte die Halle als allgemeiner
Getränke-Abholmarkt gedient. Jetzt fanden hier gelegentlich Veranstaltungen
statt, die als Events angepriesen — und als Flops rasch vergessen wurden.
Musikgruppen, die nicht spielen konnten, lärmten; so genannte Kabarettisten,
die keinen Lachsack erheitert hätten, hofften auf Beifall oder gar auf
Entdeckung — und sei’s nur als Psycho-Schrott in den Nachmittags-Talkshows der
privaten TV-Sender.
    Nun hatte Fausto Weichlers
Promoter (Manager) die Halle gemietet. Endspurt für den WM-Kampf. In
einer Woche war’s so weit. Deshalb wurde auch nicht mehr verbissen trainiert.
Denn was der Fighter (Kämpfer) jetzt noch nicht drauf hatte, würde er
bestimmt nicht mehr schnallen. Es galt nur noch, das Erlernte zu bewahren.
    Als TKKG die Halle betraten,
wurden sie empfangen von der typischen Atmosphäre: Leder klatschte auf Leder —
oder auf Körperteile. Springseile sirrten. Der Trainer brüllte Kommandos.
Blitzlichter zuckten. Etwa drei Dutzend Fans hielten den Atem an, staunten,
grinsten und sagten leise oder halblaut ihre Meinung zum Nachbarn.
    »So kann er Flatnose schlagen.«
— »Aber er geht über die volle Distanz.« — »Der Ami schlägt härter.« — »Ein
Lucky-Punch (Glückstreffer) ist immer drin.« — »Vielleicht denkt er an
sein Baby.« — »Das gibt ihm doppelte Power.«
    Mit einem Rundum-Blick stellte
Tim fest, dass überall gearbeitet wurde: am schweren Sandsack, an Maisbirne,
Wandpolster, vor dem Spiegel und am Plattformball. Der Trainer machte
Pratzenarbeit mit Fausto, hielt ihm also Handpolster hin, auf die
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