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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes
Autoren: Cynthia Felice
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schon jetzt darauf, sie irgendwann einmal zu beenden, zu einer Zeit, wenn ich Baltsar vor meinem geistigen Auge wieder lebendig werden lassen wollte. Pflichtbewußt begann ich dann, den Pfad einzuzeichnen, dem wir gefolgt waren. Ich kannte im groben den Verlauf des Weges zwischen der Stadt im Tafelland und der Stadt des Erobererkönigs im Tiefland, denn eine freundliche Kriegerin hatte ihn mir einmal aus ihrer Erinnerung beschrieben. Nun korrigierte ich ihre Schätzung der Entfernung für die erste Zwienacht-Etappe, zeichnete besonders markante Punkte ein und schätzte Höhe und Neigung der Berge und Abhänge. Hatte ich diese Karte erst einmal beendet, dann war sie die erste genaue Landkarte vom Gebiet zwischen unserer Gebirgsprovinz und dem Tiefland.
    Baltsar erwachte, ehe ich sie zur Hälfte fertiggestellt hatte. „Bist du noch nicht müde?“ Seine weit offenen Pupillen erschienen im Glitzern seiner Iris wie kleine Lämpchen.
    „Noch nicht.“ Ich schickte mich an, die Zeichenutensilien beiseite zu legen, doch er nahm sie mir aus der Hand und betrachtete die vorgezeichnete Karte.
    „Ah“, sagte er. „Deshalb also wollte Rellar, daß du mich begleitest.“ Kopfschüttelnd gab er sie mir zurück. „So eine ist in der Wüste völlig nutzlos.“
    „Warum?“ frage ich enttäuscht. Ich haßte sinnlose Beschäftigungen.
    „In der Wüste gibt es keine dauerhaften Landschaftsmerkmale. Das Tauwasser aus dem Gebirge unterspült sogar die höheren Berge. Sie stürzen ein und werden fortgespült. Es gibt nichts als Lehm, so weit das Auge schauen kann, Hügel und Senken aus leicht verformbarem Lehm.“
    „Aber wie …?“
    „Ich lasse Teon einen fernen Berg in unserer Marschrichtung suchen. Sollten wir dann vom Wege abkommen, braucht Teon nur auf den nächsten Hügel zu klettern und Ausschau zu halten, bis er den Berg wiederfindet, und schon können wir unsere Reise fortsetzen.“
    „Hat so der Erobererkönig unsere Stadt gefunden? Mit der Hilfe von Sklavenaugen?“
    „Das weiß ich nicht genau“, entgegnete Baltsar und streckte und reckte seine Krallen. „Ich habe keinen Zutritt zum Rat des Königs, jedoch waren es Teons Augen, die mir geholfen haben, den Kriegern zu folgen.“
    „Opportunist“, bemerkte ich.
    Er zuckte mit den Schultern. „Wir waren nahezu eine ganze Zwienacht in der Wüste unterwegs und überquerten auf unserem Weg viele kalte Flüsse.“
    „Ich hasse aber nasse Füße“, erklärte ich und unterstrich meine Abneigung gegen eine solche Möglichkeit mit einem Wink meines Schwanzes.
    „Man kann aber nichts daran ändern.“ Er lächelte freundlich, dann entfernte er sich und versorgte die Feuer. Die Sklaven rührten sich noch nicht einmal, als er einen weiteren Brocken Torfmoos in die Rammen warf. Als er wieder zurückkam, zog er seine Stiefel aus und fing an, die Bandagen von seinen Füßen zu entfernen.
    Die Nachtluft war jahreszeitlich bedingt trocken und von einem feinen Schwefelgeruch geschwängert, denn der Wind wehte aus der Richtung des Immernachtgebirges, wo es eine Menge Vulkane gab. Es war eine angenehme Nacht für unsere Reise. Jedoch kann nicht jeder nur mit dem Wind als Führer über Land ziehen, so wie ich es dank meiner Abstammung von den Nomaden vermag.
    „Ich nehme an, wir müssen noch warten, wenn die Sklaven nach dem Wachwerden erst einmal ihre Füße versorgen.“ Ich war ungeduldig; die Nacht erschien mir so endlos lang.
    „Nein. Ihre Haut ist um keinen Deut zarter. Wahrscheinlich ist sie sogar sehr zäh, weil sie ja keinen Pelz haben. Das Schlimmste, was ich an den Füßen eines Sklaven jemals gesehen habe, waren ein paar Blasen. Man braucht ein Messer, um ihre Haut zu durchbohren.“
    „Sie sind wirklich seltsam, nicht wahr? Anfangs dachte ich nur, sie sähen seltsam aus. Es ist irgendwie komisch, fast widerlich, eine stämmige, pelzlose, doch nahezu menschliche Gestalt anzuschauen. Und dann sind ihre Augen wie Teller! Einige von ihnen ragen so weit heraus, daß ich sie wahrscheinlich mit einem Stock abschlagen könnte.“
    Baltsar lachte. „Du schaust über ihre Häßlichkeit hinweg, wenn du dich erst mal an sie gewöhnt hast. Ich empfinde sie überhaupt nicht mehr als grotesk.“
    „Ach wirklich?“ säuselte ich. „Sie schreiten einher, als hätten sie Besenstiele verschluckt.“
    Baltsars Füße waren nackt, daher nahm ich seine Bürste und glättete den Pelz an seinen Beinen und an seinen Füßen. Dabei wagte ich mich so hoch, wie es eine rein
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