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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes
Autoren: Cynthia Felice
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kicherte verhalten.
    „Was ist so lustig?“ wollte ich wissen.
    „Ich frage mich oft, wer hier wem etwas beibringt“, erwiderte er und nickte in Richtung des Sklaven. „Wärest du eine durchschnittliche Persönlichkeit, dann hättest du wahrscheinlich angenommen, daß er zu dumm ist, die Feinheiten unserer Sprache und unseres Verhaltens zu verstehen und hättest ihn wahrscheinlich nicht mehr beachtet. Es war beinahe ungehörig, dich in dieser Weise zu einem Ausdruck deiner Dankbarkeit zu zwingen.“
    „Er verdiente meinen Dank“, entgegnete ich, „aber ich wußte nicht, wie ich dies einem von ihnen klarmachen konnte.“
    „Die meisten Leute sind da anderer Meinung. Bestenfalls behandeln sie sie wie Haustiere.“
    „Und schlimmstenfalls?“
    Baltsar hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern. „Das wirst du bald mit eigenen Augen sehen. Sklaven sind im Tiefland etwas Selbstverständliches.“ Er studierte mein Gesicht. „Ich habe vor, einige auf die Hochebene zu importieren. Sie könnten den Arbeitsrückstand aufholen, der durch den Krieg entstanden ist.“
    „Sie sind kräftig, und du scheinst sie ganz gut für deine Dienste gebrauchen und einsetzen zu können, aber wer in unserer armen Provinz kann sich einen von ihnen leisten?“
    „Prinz Chel und die Tempelhüterinnen. Bald schon werden sich auch die anderen von der Niederlage erholt haben, und ich werde Waren und Versprechungen als Gegenleistung für Sklaven akzeptieren.“
    Sein Plan kam gerade zurecht. Chel war vom Gemetzel des Erobererkönigs unter unseren Leuten am schwersten getroffen worden. Seine Steinbrüche hatten den ganzen Winter über aus Mangel an Nachfrage brachgelegen. Chels Vater, unser toter König, hatte die Landbewohner ausgesandt, um die Invasoren abzulenken, während er mit seinen Kriegern die Flanken der Invasoren angriff. Unglücklicherweise wurden unsere eigenen Flanken von einem weiteren Bataillon der Invasoren angegriffen, und unser König fiel mitsamt seinen Soldaten in der Schlacht. Prinz Chel, der die Leibwache des Königs kommandierte, verteidigte die Stadt, indem er die Brücken zerstörte, so daß die Invasoren nicht eindringen konnten, doch die Stadtgrenze war lang, und Prinz Chel hatte nur wenige Soldaten. Die Invasoren überwanden eine Schlucht, die wir für unüberwindbar gehalten hatten, und die Stadt fiel innerhalb kürzester Zeit. Danach hatte Prinz Chel nur noch verwundete Krieger und tote Arbeiter übrig.
    Wir wußten, daß die zerstörten Äcker voller Pilze und Lebermoos wohl kaum eine hinreichend große Ernte hervorbringen würden, um uns und die Soldaten des Erobererkönigs während des langen Winters zu sättigen, und wir waren überzeugt, daß wir lange vor unseren siegreichen Gegnern Hunger leiden müßten. Dann, während der letzten erträglichen Zwienacht, als die Winterwolken den ersten Eisregen heranführten, zogen sich der Erobererkönig und die meisten seiner Soldaten aus der Stadt zurück und hinterließen eine kleine Besatzungsmacht, die für die Einhaltung seiner Befehle und Anweisungen sorgte. Prinz Chel wagte sich aus seinem Versteck, und man gewährte ihm eine allgemeine Amnestie, damit er über die überlebenden Stadtbewohner regierte. Die Besatzungsmacht kaufte ihre Verpflegung und sonstigen Vorräte über Chel, der sehr viele Leute recht massiv zum Verkauf überreden mußte, indem er darauf bestand, daß jeder von seinem Besitz etwas abgab, damit kein Haushalt über Gebühr zu leiden hatte. Die Tieflandmünzen spendeten dabei wenig Trost. Wir waren an Machtdemonstrationen gewöhnt – zumindest reagierten wir in dieser Weise, wenn wir einen der Gebirgsstämme überfielen. Wir übernahmen ihre Zinnminen, wir nahmen ihnen die Kupferminen, wir setzten uns in ihren Steinbrüchen fest, und wir nahmen sie eigentlich nur deshalb, weil ein Kriegerprinz oder eine Kriegerprinzessin daran Gefallen fand. Die Großzügigkeit eines Herrschers, der für die Verpflegung seiner Truppen bezahlte, machte uns mißtrauisch.
    Ich weiß, daß Chel an der Durchführung derartiger Transaktionen verdiente, denn ihm war diese Aufgabe von den Tempelhüterinnen übertragen worden, und sie duldeten es nicht, daß er für das Gebühren nahm, was eigentlich zu seinen Pflichten als Prinz gehörte. Doch nach dem Gesetz des Erobererkönigs mußten Provinzprinzen für die Wahrnehmung königlicher Aufgaben entlohnt werden, und der Einspruch der Tempelhüterinnen wurde schnell für ungültig erklärt. Daher machte
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