Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
kann wieder hören“, sagte Gaby.
    Tim tat überrascht. „Auf beiden Ohren?“
    „Auf beiden.“
    „Ist das nun ein medizinisches Wunder —
oder hattest du Wasser in den Gehörgängen?“
    „Das könnte es gewesen sein“, lachte
Gaby. „Wir waren im Schwimmbad.“
    Vorige Woche, dachte Tim — blieb aber
ernst.
    Frau Bonzemann hatte das Journal
zurückgelegt.
    „Du konntest nichts mehr hören?“ fragte
sie.
    „Und das eine halbe Stunde vor dem
Gitarre-Unterricht“, nickte Tim. „Ich dachte schon, es wäre ein Trick. Kann
aber nicht sein. Gaby ist ganz wild mit ihrer Gitarre.“
    „Ich spiele Klavier“, lächelte Frau
Bonzemann.
    „Gitarre ist praktischer“, sagte Tim.
„Man kann sie leichter transportieren.“
    „Und was spielst du?“
    „Volleyball.“
    „Also kein Instrument.“
    „Es ist mir nicht bestimmt. Aber ich
interessiere mich sehr für Malerei.“
    Gaby stieß ihn an, was einen gewissen
Unmut ausdrückte, und beugte sich vor.
    „Vielleicht kriege ich Tim so weit, daß
er ein Instrument erlernt. Mir zuliebe. Ich finde es nämlich toll, wenn man
zusammen musiziert. Besonders in einer Partnerschaft. Ihr Mann spielt
sicherlich auch, ja?“
    Geschickt, geschickt, dachte Tim.
    Über das Gesicht der Frau huschte ein
Schatten.
    „Leider nicht. Er ist... ganz
unmusisch. Leider! Die Temperamente sind eben verschieden. Ich empfinde da wie
du. Die Freude an der Musik vervielfacht sich, wenn man sie zusammen ausübt.“
    „Ich fange erst an mit dem
Gitarre-Unterricht“, sagte Gaby. „Wenn ich fortgeschritten bin, würde ich gern
mit Ihnen spielen.“
    „Darauf komme ich zurück“, lächelte die
Frau. „Aber weit ist es mit meinem Können nicht her. Ich... ah, da bist du ja.“
    Das galt ihrem Mann.
    Er kam vom Flur herein, massig, qualmend.
    Auf der Stirn glänzte Schweiß. Der
Blick, mit dem er seine Frau begrüßte, enthielt totale Gleichgültigkeit.
    Mit einem Stirnrunzeln gewahrte der
Baulöwe die beiden Jugendlichen.
    Draußen wurde Bernd Kolbe von der Helferin
aufgefordert, sich in den Ordinationsraum zu begeben.
    Gaby — der ,Notfall’ — mußte also noch
warten.
    Tim stand auf.
    „Ich sag’s ihm hier“, meinte er zu
Gaby, „im Treppenhaus könnte die Peinlichkeit größer sein.“ Damit wandte er
sich an Bonzemann. „Sie erinnern sich, ja? Wir waren bei Wiholds, als Sie dort
auf sanfte Art drohten. Inzwischen haben Sie Verbindung mit den beiden Älchs
aufgenommen. Vermutlich sollen die ein bißchen Dreckarbeit für Sie erledigen.
In Ihrem Interesse, Herrrrrr Bonzemann: Pfeifen Sie die beiden Krawalltypen
zurück. Die werden nämlich sonst von uns — vom TKKG — breitgebügelt. Und dann
sagen die aus, daß Sie es so wollten, und schon sitzen Sie bis zum Hals in der
sch... önsten Schweinerei. Die Älchs haben wir schon gewarnt. Und dies ist
jetzt die Warnung an Sie! Alles begriffen? Herr Wihold will nicht verkaufen,
und niemand wird ihn dazu zwingen. Die Wiholds stehen unter unserem Schutz.“
    Mehr war hier nicht zu tun.
    Tim ergriff seine Freundin bei der
Hand.
    Sie lächelten Frau Bonzemann zu, deren
Augen ganz groß waren, und gingen an dem Baulöwen vorbei durch die Tür.
    Er war erstarrt. Langsam lief sein
Gesicht rot an.
    Bei der Anmeldung setzte die Helferin
ihre Kaffeetasse ab.
    „Es dauert noch etwas.“
    „Klar“, sagte Tim. „Aber wir warten
nicht.“
    „Was?“
    „Gaby kann wieder hören. Wir brauchen
den Onkel Doktor nicht. Vielen Dank.“
    Der Helferin blieb der Mund offen.
    „Ihr wollt nicht warten?“
    „Nein“, sagte Gaby. „Besser als ich
jetzt höre, kann ich gar nicht hören. Es gibt keinen Grund, daß der Herr Doktor
an mir verdient. Wiedersehen!“
    Lachend verließen sie die Praxis.
     
    *
     
    Karl und Klößchen warteten beim
Fischbrunnen, der den — mit ehrwürdigen Patrizierhäusern umbauten — Marktplatz
in Richtung Fußgängerzone begrenzt.
    Beim Anblick der verpackten Gitarre
winkelte Klößchen den erhobenen rechten Arm an. Mit dem linken bewegte er einen
unsichtbaren Fidelbogen schwungvoll über die Saiten.
    „Das ist eine Gitarre, keine Geige, du
Banause“, sagte Gaby.
    „Geige stünde dir aber auch“, meinte
Klößchen.
    „Es geht nicht um Mode, sondern um
Kunst.“
    „Wenn du dein erstes Konzert gibst“,
sagte Karl, „kriege ich eine Freikarte. Versprochen?“
    Gaby verdrehte die Blauaugen. „Da will
man sich weiterentwickeln. Und das ist nun das Echo. Zur Strafe zeige ich sie
euch nicht, meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher