Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
springt. Wir mit unserer höflichen Zurückhaltung regen niemanden auf.
Was die Dame natürlich nicht daran zu hindern braucht, uns mit Kakao und
Schokotorte zu bewirten.“
    „Genau das ist es, Willi“, Gaby
lächelte wie eine Wölfin, „weshalb ich dich manchmal ohrfeigen könnte. Julia
muß anfänglich meine falschen Akkorde aushalten, ihr seid zuviel. Ich bin
gleich wieder da.“
    Tim grinste.
    Die Schwüle war noch feuchter geworden.
In spätestens einer halben Stunde würden Blitze zucken und der Himmel die
Schleusen öffnen. Dann regte auch Gaby sich ab.
    Sie verschwand im Haus, ihre Gitarre
unterm Arm.
    „Wie unfreundlich!“ murmelte Klößchen.
    „Sie hat recht“, verteidigte Tim seine
Freundin. „Wir sind nicht eingeladen. Gaby will lediglich ihre Gitarre
vorführen. Die erste Unterrichtsstunde ist morgen nachmittag um fünf.“
    „Trotzdem wäre es unsere Pflicht“,
beharrte Klößchen, „diese Lehrerin per Augenschein zu überprüfen. Ob sie
geeignet ist für Gaby. Eine erhebliche Mitverantwortung, wenn es um das einzige
Mädchen in unseren Reihen geht, lastet auf uns.“
    „Macht dich die Hitze so geschwollen?“
fragte Karl. „Ich bin ganz einfach neugierig, wer diese Julia ist.“
    „Ich kenne sie aus dem
Tierschutzverein“, sagte Tim. „Es gibt nichts zu bemängeln. Sie sieht gut aus,
hat Abitur und ist tierlieb. Demnächst will sie sich einen Hund anschaffen —
aber einen kleinen, der auch in die Handtasche paßt. Ist praktischer — in der
U-Bahn und auf Rolltreppen. Ganz zu schweigen vom Flugzeug.“
    „Ein Hund, der kleiner als eine Ratte
ist“, meinte Klößchen, „ist für mich kein richtiger Hund, sondern verzüchtet.
Genausowenig gefiele mir eine Kleingiraffe, der ich auf den Kopf spucken
könnte.“
    „Mir gefallen alle Tiere“, widersprach
Tim. „Die Kleinen können nichts dafür, daß sie so fipsig sind. Richtig ist
allerdings, daß man normale Hundearten nicht immer kleiner züchten sollte, nur
damit sie in die Kleinwohnungen und Kleinautos passen.“
    „Eine gewisse Größe muß sein“, nickte
Klößchen — und reckte sich.
    Offenbar wurde ihm bewußt, daß er eher
zu den Möpsen gerechnet wurde als zu den Windhunden.
    Dieser Teil der Hebelstraße bestand zu beiden
Seiten aus sechs- bis achtstöckigen Häusern.
    Die Seite, auf der die Jungs standen,
badete im grellsten Sonnenlicht.
    Drüben war Schatten. Und dort
schleppten sich die müden Großstädter ihren Pflichten entgegen: schwitzend und
durstig.
    Einer überquerte jetzt die Straße und
hielt auf den Eingang zu, hinter dem Gaby verschwunden war.
    Der Typ hatte ein rosiges Gesicht mit
blondem Schnurrbart. Die Frisur bestand zum größten Teil aus Glatze, was
vielleicht an einer Stoffwechselstörung lag — wie Tim vermutete — , jedenfalls
war’s nicht altersbedingt bei dem Mittzwanziger.
    Tim erkannte den jungen Mann. Wie hieß
er doch gleich? Bernd Kolbe. Wenn er den Mund auftat, sprach er metallisch mit
harten Konsonanten. Und er war Patient bei diesem HNO-Arzt (Hals-, Nasen-,
Ohren-Arzt) Dr. Prunk.
    Ein scharfer Blick traf die Jungs.
    Dann trat Kolbe ins Haus.
    „Ist das etwa Herr von Pritznitzky?“
fragte Klößchen.
    Tim schüttelte den Kopf. „Julia ist
Single ( Einzelperson ). Gaby kennt den Blondbart. Er heißt Kolbe und ist verwandt
mit Julias Nachbarin.“
    Damit war das Thema erschöpft.
    Gaby kam ohne Gitarre zurück.
    „Julia sagt, ein Klasse-Instrument. Ich
hab’s dagelassen zum Stimmen.“
    Als sie sich auf die Drahtesel
schwangen, trat Kolbe aus dem Haus.
    Er starrte vor sich auf den Boden und
ballte die Faust.
    Lautlose Flüche, dachte Tim. Oder er
will jemanden verprügeln. Locker und friedfertig ist er jedenfalls nicht.
Vielleicht liegt’s an der Schwüle.
     
    *
     
    „Unmöglich!“, sagte Manfred Tiggel, der
Mundwinkelzucker. „Die Wagen von Knete-und-Manni sind nicht zu knacken. Es
wurde viermal versucht. Vier Fehlschläge. Jeder Überfall prallte ab am
Stahlblech, am Panzerglas. Nee, Bernd! Schlag’s dir aus dem Kopf.“
    Sie saßen in Bernd Kolbes Kleinwohnung,
einem sogenannten Wohn-Klo mit Kochgelegenheit.
    Das einzige Fenster gab den Blick frei
auf einen Hinterhof. Er hatte die Maße von etwa drei mal drei Metern, war aber
acht Stockwerke hoch.
    Der Blick prallte also gegen eine
gegenüberliegende, fensterlose Hauswand.
    Sie war grau und rissig, besonders hier
in Höhe der vierten Etage.
    Kein Sonnenstrahl hatte sich jemals auf
diesen Hof verirrt. Dennoch — Kolbe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher